Full text: Tirpitz, Erinnerungen. Volksausgabe.

Die Vaterlandspartei 161 
auf die Herbeiführung des Friedens begingen, fanden einen verderb- 
lichen Ausdruck in der Friedensresolution vom Juli 1917. Es war 
mir sofort klar, daß nach diesem augenscheinlichen Nervenzusammen- 
bruch die Aussichten sowohl für die Herbeiführung eines baldigen 
Verzichtfriedens wie auch für ein weiteres erfolgreiches Durchhalten 
des Krieges ganz außerordentlich herabgesunken waren. Wenn in Eng- 
land jemals Neigung zu einer Kriegsbeendigung durch Verständigung 
bestanden hätte, nach dieser Probe unserer moralischen und politischen 
Haltungslosigkeit mußte der bekannte Lloyd George-Ausspruch doppelte 
Bedeutung erlangen, daß England einen Verzichtfrieden niemals an- 
zustreben brauche, weil es ihn von uns unter allen Umständen immer 
noch bekommen könnte. Um aber einen Sonderfrieden mit Rußland 
zu erlangen, war der betretene Weg erst recht ungangbar. 
Sollte bei dieser Sachlage noch Rettung erhofft werden — große 
Hoffnung konnte nicht mehr bestehen —, so mußte der Versuch ge- 
macht werden, im deutschen Volk eine nationale Gegenbewegung zu 
entfachen, die im Auslande den Eindruck hervorrief, daß die deutsche 
Widerstandskraft doch noch lebendig war, die ferner der Regierung 
für eine kräftige und kluge Politik einen Rückhalt bot, und die end- 
lich nach Möglichkeit ein weiteres Herabgleiten auf der schiefen Ebene 
der öffentlichen Friedensangebote verhinderte. Das sind die Beweg- 
gründe gewesen, die zur Gründung der Deutschen Vaterlandspartei ge- 
führt haben. Die erste der drei gewünschten Wirkungen, der Eindruck 
im Auslande, wurde durch den gewaltigen nationalen Schwung der 
Bewegung ohne Zweifel erreicht. Die deutsche Regierung aber war weit 
entfernt, zu erkennen, welches Instrument mit der Vaterlandspartei in 
ihre Hände gelegt war. Sie wagte nicht darauf zu spielen und tat im 
Gegenteil alles, um die Bewegung zu hemmen. Dieses Verhalten wurde 
ihr durch die sofort einsetzende Gegenwirkung der Väter der Friedens- 
resolution vorgeschrieben, welche, um Recht zu behalten, es in einer 
wohlorganisierten unwahrhaftigen Kampagne verstanden, der Vater- 
landspartei innerpolitische Ziele unterzuschieben und sie als reaktionär 
zu verdächtigen. Man hat ferner in völliger, echt deutscher Verkennung 
des Begriffs eines „Kriegsziels“ der Vaterlandspartei und mir „Annexio- 
nismus“ vorgeworfen. Abgesehen davon, daß sich die Führung der 
Vaterlandspartei auf die Vertretung einzelner Annexionsforderungen 
nicht eingelassen und lediglich in der belgischen Frage, als bem Kern- 
Ti rpitz, Erinnerungen
	        
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