Full text: Tirpitz, Erinnerungen. Volksausgabe.

Drittes Kapitel 
Die Hochseeflotte im Kriege 
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Es liegt nicht in meiner Absicht, hier eine seekriegsgeschichtliche Dar- 
stellung zu geben. Es kommt mir nur darauf an, die wesentlichsten 
Gesichtspunkte für die Beurteilung unserer Flotte hervorzuheben. Zu- 
nächst möchte ich darauf hinweisen, daß auch unsere Armee, die bei 
Kriegsbeginn in hoher Vollendung dastand, der ungeheuren Übermacht 
schließlich unterlegen ist. Den Einwand, daß wir ohne Flotte den Welt- 
krieg nicht bekommen hätten, habe ich früher zurückgewiesen, denn es 
war für England seit Jahrzehnten zum Staatsgrundsatz geworden, ein 
Niederwerfen Frankreichs nicht zu dulden. 
Unsere Seemacht war im Jahr 1914 zwar schon sehr beträchtlich, 
aber zur sicheren Erfüllung des für Krieg und Frieden geltenden Risiko- 
prinzips noch nicht reif; sie war noch in voller Entwicklung begriffen, 
als sie den fünf größten Seemächten gegenübergestellt wurde, zu denen 
1917 noch Amerika hinzutrat. 
Trotz allem bin ich auch heute noch der Überzeugung, und das ist das 
Tragische an dem Endergebnis: die Flotte hätte es schaffen, sie hätte 
uns zu einem ehrenvollen Frieden verhelfen können, wenn sie richtig 
zur Ausnutzung gebracht wäre. Die Flotte war gut, das Personal voll 
Kampfbegierde, in hohem Ausbildungsstand, das Material dem eng- 
lischen überlegen. Das sichtbarste Zeichen für den militärischen Wert 
unserer Flotte und die hohe Einschätzung ihrer Leistungsfähigkeit durch 
den Gegner lag wohl in der Tatsache, daß die Engländer, je länger der 
Krieg dauerte, desto bestimmter einen Zusammenstoß mit ihr vermieden. 
Sie haben trotz immer wachsender Überlegenheit unsere Streitkraft 
niemals mit Vorbedacht angegriffen. Kein Zusammenstoß ist von ihrer 
Seite gesucht. Unsere Flotte ist schließlich von derselben Krankheit er- 
faßt worden, von der ganz Deutschland verseucht wurde. Wenn sie auf
	        
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