Aussichten einer Seeschlacht 170
wie das deutsche Landheer auf den Bewegungskrieg. Die Schlacht war
unsere beste Chance. Die Engländer hofften, je länger je mehr, auch ohne
Schlacht ihren Zweck zu erreichen. Uns lag es daher ob, sie zur Schlacht
zu zwingen. Nur dann handelten wir politisch und strategisch richtig,
wenn wir die Initiative an uns rissen. Durch ihre Nichtausnutzung verlor
die Schlachtflotte die Rechtfertigung ihres Daseins. Sie büßte die Kraft,
die sie in sich enthielt, ein, und enttäuschte die Hoffnungen der Nation
wie ihre eigenen Erwartungen. Wären die Armee und die Diplomatie im-
stande gewesen, einen günstigen Ausgang zu erzielen, so war die Verküm-
merung der Seewaffe gewiß zu ertragen. Aber, wie im vorigen Kapitel
auseinandergesetzt wurde, war es eine verhängnisvolle Einbildung,
welche die Wurzel des Kriegsverlustes wurde, daß die leitenden Per-
sönlichkeiten wähnten, ohne scharfe militärische und politische Front
gegen England heil aus dem Krieg herauskommen zu können und die
Flotte „aufsparen“ zu sollen, um sie bei Friedensschluß in die Wag-
schale zu werfen.
Ich habe in der ganzen ersten Kriegszeit gegen die Entfremdung
der Flotte von ihrem großen Ziel und Zweck angekämpft. Das brave
Personal der Flotte wußte nicht, wie häufig ich mich einsetzte, um
der strategischen Offensive Geltung zu verschaffen. Nur eines der ver-
schiedenen Gutachten, die ich hierüber schon im Herbst 1914 an den
Chef des Admiralstabes richtete, möchte ich hier erwähnen.
An den Chef des Admiralstabes der Marine. Hier.
Großes Hauptquartier, den 11. Oktober 1914.
Das von Euerer Exzellenz auf Grund Ihres Immediatvortrages an
den Hochseechef gerichtete Schreiben vom 6. X. d. J. — 168 — gibt mir
Veranlassung, Euerer Erzellenz folgende Bemerkungen zur Verfügung zu
stellen:
1. Die Direktive, daß die Flotte sich zurückhalten und Aktionen vermeiden
soll, die zu größeren Verlusten führen können, wird meinem Erachten nach
zur Folge haben, daß sich für die Flotte die Gelegenheit einer Schlachtent-
scheidung überhaupt nicht bieten wird. Sie wird vielmehr nur dann unter
günstigen Umständen zum Schlagen kommen, wenn sie versucht, durch Vor-
stöße, wie sie auch der Hochseechef in seinem Schreiben vom 2. IX. 1914
vorgeschlagen hat, den Gegner in Situationen zu bringen, die gestatten,
gegen Teile der feindlichen Flotte vorzugehen oder nächtliche Tor-
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