Die Kabinettsorder vom 7. Septeniber 1915 181.
erfüllung hochzuhalten auch dort, wo bisher keine Gelegenheit zu
kriegerischer Betätigung vor dem Feinde war oder sie nach mensch-
lichem Ermessen nach der ganzen Kriegsgestaltung überhaupt nicht
eintreten wird... Gerade bei den äußerst verwickelten Verhältnissen
dieses Krieges muß von den Offizieren Vertrauen in die Oberste
Kriegsleitung verlangt werden, die in Abwägung aller militärischen
und politischen, sich dem Blick der Allgemeinheit mehr oder weniger
entziehenden Faktoren entscheidet, wo vorgegangen wird und wo zurück-
gehalten werden muß..“ Die Order bezeichnet es dann weiter als
„schweren politischen Fehler“, die Flotte angesichts der strategischen
Verhältnisse in der Nordsee unter von vornherein ungünstigen Ver-
hältnissen einzusetzen, und sehließt nach einem Verbot an die Offiziere,
sich über den Ubootskrieg ein Urteil anzumaßen, mit den Worten:
„Ich verlange damit in letzter Linie die pflichtmäßige Unterordnung
unter Meinen Willen als Oberster Kriegsherr, der Ich die schwere
Verantwortung für die Zukunft des Reiches trage und von dem gerade
die Marine überzeugt sein sollte, daß er glücklich sein würde, sie
hemmungslos dem Feind entgegenwerfen zu können.“ Die Tragik
im Verhalten des Kaisers bricht mit den letzten Worten hervor.
Wer, um den englischen Löwen nicht zu reizen, dem Kaiser das dem
Geist dieses Weltkrieges widersprechende Inbannschlagen der Flotte
angeraten hatte, übersah wohl, daß dieser Standpunkt das eigene Werk
des Kaisers zerstören mußte. Wie konnte man eine Flotte bauen, ohne
sie im Lebenskampf des Volkes einzusetzen! Wie konnte man anderseits
jene Politik machen, die Bethmann im Juli 1914 betrieb, außer im
Vertrauen auf ein seemächtiges Deutsches Reich!
Bei jedem sich bietenden Anlaß habe ich meine dem Geist dieser
Kabinettsorder widersprechende Auffassung mündlich oder schriftlich dem
Chef des Admiralstabes mitgeteilt. Ahnliche Dokumente dem Kaiser un-
mittelbar einzureichen, erschien mir aussichtslos und hätte als Über-
schreitung meines Ressorts die Spannung nur verschärft. Ich verein-
samte mehr und mehr.
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Als Admiral Scheer Anfang Januar 1916 zum Flottenchef ernannt
wurde, übernahm er mit dem von ihm erwählten Stabschef v. Trotha
das Kommando in dem festen Willen, trotz der ungünstiger gewordenen
Kriegslage die Flotte stärker zum Tragen zu bringen. Demgemäß trat