Wechsel in der Flottenleitung 183
Das meistbeschädigte Schiff, die „Seydlitz“, hatte drei schwere Treffer
erhalten, davon einen 38 Zentimeter, wie sich später aus den Geschoß-
sprengstücken feststellen ließ. Auch ein Torpedotreffer, den dieses Schiff
später von einem englischen Zerstörer erhielt, hatte so gut wie keinen
Einfluß, da seine Wirkung durch das Torpedolängsschott aufgefangen
wurde. In den kommenden Phasen der Schlacht konnte die „Seydlitz“
einen zweimaligen Stoß auf das englische Gros mit Höchstgeschwindig-
keit mitmachen, wobei sie noch weitere zwanzig schwere Geschoßtreffer
erhielt. Trotzdem ist sie mit eigener Maschinenkraft in den Hafen
eingelaufen. Aus dem frischen Gefühl der überstandenen Gefahr her-
aus schickte mir der tapfere Kommandant, Kapitän v. Egidy, zu mei-
ner Freude im Namen der Offiziere und Mannschaften ein warmes
Danktelegramm für das ausgezeichnete Schiffsmaterial.
Admiral Scheer und sein Stabschef v. Trotha entnahmen aus den
Funkenmeldungen, daß das Kreuzergefecht zu einem Zusammenstoß
mit der Grand Fleet führen mußte, deren numerische Überlegenheit
und in diesem Stadium einheitliche Zusammensetzung aus Linienschiffen
der Großkampfklasse sie voll übersahen. Es bleibt ihr großes histo-
risches Verdienst, daß sie mit äußerster Kraft der Maschinen zur
Schlacht drängten. Sie schätzten die personellen und materiellen Eigen-
schaften unserer Flotte richtiger ein, als es bisher geschehen war. Der
weitere Verlauf darf als im Wesentlichen bekannt angesehen werden.
Am 1. Juni nachmittags traf unsere Flotte in den Flußmündungen
ein, das Personal gehoben und in gewisser Weise überrascht von
dem Erfolg und von der bewiesenen personellen und materiellen Über-
legenheit. Die meisten hatten gar nicht gewußt, wie gut unsere Flotte
war. Sie dachten nach dieser Schlacht, wo die Gunst der Verhält-
nisse nicht einmal auf unserer Seite war, und wo von der ganzen
Flotte nur die Panzerkreuzer und die Spitzenschiffe eines Geschwaders
voll zum Tragen gekommen sind, nun an den Erfolg, den wir hätten
erwarten können, wenn wir im Anfang des Krieges eine gute Stunde
suchten und dann die Flotte einsetzten. Trotz Minderzahl und tak-
tischer Ungunst der Umstände betrug unser Verlust nur ein Drittel
des britischen.
Admiral Scheer hat im Laufe des Jahres 1916 noch mehrmals
ernstlich versucht, die englische Flotte zum Schlagen zu bekommen.
Sie vermied aber ganz offensichtlich eine „costly und precipitates