200 Der Unterseeboots-Krieg
säumnis um das entscheidende Stück verkleinert worden ist 1), ver-
urteilten sie hinterher wieder — ihr eignes Verhalten Anfang 1917
verleugnend — den ganzen Ubootskrieg! Um zu ermessen, wie in
Deutschlands Schicksalsstunde mit dem Seekrieg gespielt worden ist,
stelle man sich vor, daß im Landkrieg Diplomaten, Journalisten und
Parlamentarier entscheidende strategische Urteile abgeben wollten. Aber
in der Lebensfrage des Seekriegs war unter Deutschen alles möglich.
Statt sich auf die amerikanische Frage zu beschränken, deren politischer
Ernst auch von mir, niemals verkannt worden ist, beruhigte sich der
Deutsche mit seinem Instinkt für Selbstvernichtung durch die Formel
„wir hätten 1916 nicht genug Uboote gehabt“. Wie ich für die hintan-
gehaltene Seeschlacht der Sündenbock sein sollte, weil angeblich das
Material der Flotte zu schlecht wäre, so schoben jetzt die, welche Wilsons
wegen den Mut zum Ubootskrieg nicht fanden, vor sich selbst und
vor der Welt die Schuld auf die „zu geringe Anzahl“ der Boote.
Dieses überall ausgesprengte Gerücht war es, womit hauptsächlich die
diplomatischen und demokratischen Helfer der Reichsleitung den recht-
zeitigen Ubootskrieg verhindert und an Stelle eines raschen und wuch-
tigen, darum auch der Menschlichkeit am meisten entsprechenden Schlages
ein Schwäche und schlechtes Gewissen verratendes, unser Unglück be-
siegelndes Dahinsiechen gesetzt haben 2).
Denn in Wahrheit konnte unser Ubootsbestand 1916 weit mehr
leisten als 1917, wie ich im Februar 1916 vorausgesagt habe. Es
kommt für den Ubootskrieg nicht auf die Zahl der Uboote, sondern
lediglich auf die Versenkungsziffer an. Für diese einfache Wahrheit
waren die hinzögernden Politiker zu klug. Die Erträgnisse des Uboots
sanken im Verhältnis, wie die Abwehrmaßnahmen der Gegner stiegen.
Diese Maßnahmen erforderten Jahre; die Jahre haben wir den Feinden
gelassen. Unser Ubootssieg war nur in einer bestimmten Zeitspanne
1) Nach der Erklärung des sachverständigen Staatsmannes Chiozza Money im eng-
lischen Unterhause, November 1918, wonach neun Monatserfolge, wie der des April
1917 England ruiniert hätten, wäre es also noch im August 1916 Zeit gewesen, ein-
zusetzen, aber nicht mehr im Februar 1917.
2) Die linken Parteien des Reichstags haben an der Verzögerung des Uboots-
krieges eine so schwere Mitschuld, daß es für mich ein Gebot der Gerechtigkeit ist,
zu erwähnen, daß einzelne kernhafte Männer in der Sozialdemokratie Anfang 1916
meinen Standpunkt voll geteilt haben, ohne damit durchzudringen.