206 Schlußwort
verdienst gesehen und auf ihren Pfeffersäcken gesessen hätten. Trotz
dringender Vorstellungen ihres großen Admirals ließen sie ihre See-
macht im Frieden verfallen und brachten Holland den Niedergang.
Frankreichs Aufstieg zur Seegeltung hatte seinen inneren Verhält-
nissen entsprechend geschwankt; der Weg, den Richelieu und Colbert
gingen, wurde mehrfach unterbrochen. Trotzdem stand vor Ausbruch
der Revolution Frankreichs Seegeltung ebenbürtig neben der englischen.
Wesentlich durch sie war es Washington gelungen, die Freiheit Ame-
rikas zu erkämpfen. Suffren hatte in Indien den Engländern die
Wage gehalten, und das Mittelmeer war in der Hauptsache französisch.
Die Revolution vernichtete das Offizierskorps der Flotte und ließ
Schiffe und Personal verkommen. Napoleon hat dann erfahren, daß
es selbst seiner Energie und seinem Genie nicht gelingen konnte, eine
Seemacht aus dem Boden zu stampfen, und so erlag die zahlen-
mäßig überlegene französisch- spanische Flotte der höheren Qualität Nel-
sons und seiner „band of brothers“.
Englands Seeprestige hat dann das 19. Jahrhundert überdauert.
Um die Wende des 20. Jahrhunderts besaß Deutschland alle Grund-
bedingungen für Seegeltung. Weltbedeutenden Handel und Gewerbe-
fleiß, deren Riesenaufschwung fast zu schnell ging, militärischen Sinn,
organisatorische Befähigung und Arbeitsfreudigkeit, Staatskraft und
Vaterlandsliebe. Die Zeit war knapp, um Langversäumtes nachzu-
holen. Aber wir waren nahe vor unserem friedlichen Ziel, als uns
eine unheilvolle Politik den vier stärksten Seemächten Europas im
Krieg gegenüberstellte, von denen England allein um das Doppelte
und überlegen war. Auf einen vollen Sieg, auf ein Niederringen
Englands konnten wir von vornherein nicht rechnen, wohl aber kann
ich die Uberzeugung aussprechen, daß unsere Seemacht — nehmt
alles nur in allem — gut und schon stark genug war, um England
so zu bedrängen, daß wir zu einem Frieden kommen konnten, der
uns die Möglichkeit gab, unsere schweren Verluste wieder auszuheilen.
Um dies zu erreichen, mußten wir das Wesen des gegen Deutschland
geführten Vernichtungskrieges erkennen, militärisch und politisch dem-
entsprechend verfahren und vor allem unsere Seemacht, einheitlich
geleitet, beizeiten rücksichtslos einsetzen. Verpassen der Gelegenheiten
erlaubte uns die Gesamtlage nicht.
Schrecklicher als jener Verkauf der alten deutschen Flotte durch