212 Kriegsbriefe 1914
das perfide Albion um uns gesponnen hat? Wie furchtbar recht habe ich lel-
der gehabt.
Coblenz, 23. VIII.
Nein, trotz der bisher einlaufenden Siegesnachrichten, jubeln kann man
nicht, und hoffentlich hält sich unsere Presse damit zurück. Noch sind keine
wesentlichen Entscheidungen gefallen (freilich sind im Kampf südlich von Metz
150 Kanonen genommen) und verstanden wird nicht, daß die größte Gefahr
gegen die Polo spielenden Engländer immer bestehen bleibt.
Coblenz, 28. VIII.
Ich bin in großer Sorge wegen der Affäre bei Helgoland. Mir scheint,
man hat sich überraschen lassen. Unsere leichten Streitkräfte sind nicht aus-
reichend für solche Scharmützel. Wenn das so fortgeht, werden sie bald
zerrieben sein. Die Engländer werden im großen Bogen uns mit Minen ein-
kesseln; dann sitzt unsere Flotte gefesselt drin (bottled). Es ist furchtbar für
mich! Ich bin immer gegen eine zu große Fesselung der Flotte gewesen, aber
gegen die Ansicht von Pohl, Müller, dem Kaiser und Bethmann war nichts
zu machen. Freilich liegt die Entscheidung bei Ingenohl, dem man das einzelne
nicht vorschreiben kann. Bei der akuten Angelegenheit übersehe ich natürlich
nicht die Lage. Die Armee schreitet von Sieg zu Sieg. Die Lage ist allerdings
auch für sie schwieriger geworden. Meines Erachtens unterschätzt man die
Hartnäckigkeit der Engländer auch für den Ausgang des Landkrieges trotz
unserer Siege über die englische Armee erheblich.
Luxemburg, 4. IX.
Ich fürchte den Kanzler und seine Leute; ich bin durchdrungen, daß sie der
großen Zeit nicht gewachsen sind, und wie sie den Krieg nicht verhindert haben
durch ihre Politik, so werden sie auch einen jämmerlichen Frieden zustande
bringen. Die Engländer niederträchtig, brutal als Nation — als einzelne
Persönlichkeit sind sie zu achten. Sie haben sich in hundert Jahren eine Moral
zurecht gemacht, an die sie glauben. Alles ist gut, gerecht und religiös sogar,
was ihnen Nutzen bringt. Alle Völker sind ihre Auspreßobjekte nach Gottes
Ratschluß.
Luxemburg, 5. IX.
In Berlin scheint man etwas siegestoll geworden zu sein, wie ich aus ver-
schiedenen Briefen entnehme. Noch haben wir keineswegs gesiegt, den Krieg
als Ganzes betrachtet. Wir müßten schon deshalb beschelden sein, weil nur
dadurch die Zähigkeit zum endgültigen Siege uns erhalten bleiben kann. Die
schwersten Tage werden noch kommen. England hetzt die ganze Welt auf uns,
und die unerhörte Lügenfabrik verbreitet unsere sogenannten Niederlagen und
unsere Niederträchtigkeit durch alle Länder. Wir haben dem nichts entgegen-
zusetzen.
Luxemburg, 7. IX.
Ich bin immer in Sorge über unsere Diplomaten, die einerseits gleichgültig
sind gegen den gewaltigen historischen Vorgang und die durch ihre Flau-