Kriegsbeiefe 1914 217
Antwerpen gefallen sei. Nachher soll ich zum Essen kommen. Der Kaiser
war natürlich in rosigster Laune — General von Beseler Pour le mérite!
„Die Vettern jenseits des Kanals würden sich ärgern, jetzt ginge es weiter
los.“ Der Kernpunkt, daß nämlich die Besatzung sich hat nördlich drücken
können, schien ihn weniger zu kümmern. Prinz Eitel war auch dabei. Er
war gestürzt und sollte sich ein paar Tage verschnaufen, einfach und brav
wie immer. Im ganzen sah er die Lage aber doch ernst an, wie sle es denn
auch ist. Es ist recht peinlich, daß, wie es scheint, die Russen nun noch ein-
mal nach Ostpreußen kommen. Dieser sichtbare Erfolg mit Antwerpen tat
uns allen sehr not, auch nach außen hin. Ich. vergaß Dir zu erzählen, daß
ich gestern vormittag in Sedan war und das damalige Schlachtfeld ziemlich
abgefahren bin. Wir waren auf der berühmten Höhe, von der der alte Kaiser
das Schlachtpanorama beobachtete, ich glaube bei Frénois, dann das Haus
bei Donchéry, wo Bismarck mit Napoleon zusammentraf. Das Haus wird
noch von derselben Frau bewohnt, die damals jeune femme von 27 Jahren
war; sie macht gewissermaßen ein Geschäft daraus, das Zimmer zu zeigen,
in dem Bismarck mit Napoleon verhandelte. Vier Napoleondors, die
„ l´empereur ihr gab, sind. eingerahmt. Es ist eine winzige Stube, dürftig
möbliert; eine enge Treppe führt herauf. Weiter nach Bazeille, dort in dem
Haus „de la dernière cartouche“ ist ein kleines Lokalmuseum. Ein französischer
Schlachtenmaler hat aus dem Vorgang das Motiv zu einem großen Bilde
genommen, das auch in Berlin ausgestellt. war (obwohl es die Deutschen
als Scheusäler darstellt). Durch Sedan selbst und von dort nach dem Stand-
bild für General Marguerite und seine Reiter. Ein großer Marmorblock, auf
demselben „la France“ mit gesenkter Fahne, an der Vorderseite der Moment,
wo die Kavallerie plötzlich vor einem Steinbruch steht und herunterstürze
— etwas Pose, aber doch ein Stück Kunst. Es war ein wundervoller Oktober-
tag. Wie hätte ich das früher genossen; jetzt hat die harte Realität der Gegen-
wart und die Sorge um unser Land mit einem Ruck das Interesse für diese
große Zeit weggewischt. Damals war ich junger Leutnant; wir lagen 6 Mo-
nate auf Schillig Reede, bis das Eis uns hereintrieb. Wir hatten nur drei
Schiffe und draußen waren acht; trotzdem haben wir doch zweimal ver-
sucht, etwas zu machen. Jetzt bin ich ein Mann von 65; ich sitze hier, und
unsere große Flotte liegt wieder im Hafen. Es ist hart für mich.
Charlevllle, 10. X.
Es waren zum Abendessen geladen so viele, als Platz vorhanden war. Vor
der Suppe wurde diesmal Sekt eingeschenkt. Der Kaiser hielt eine Rede, in
der er zunächst den Herrn der Heerscharen pries und dann Moltke, der den Plan
erdacht, und Beseler, der ihn ausgeführt, dann drei Hurras! Es wirkte eigen-
tümlich auf die Anwesenden, die Hervorhebung Moltkes neben dem andern
bei dieser Gelegenheit. Es ist so verkehrt, ihn nicht als Herz- und Nieren-
kranken nach Hause zu schicken, was er in Wirklichkeit ist; so greift das Gift
der Gerüchte auch in der Armee um sich, und man fragt, wer führt uns?
Von den ernsten Herren wurde der Abzug der belgischen Armee in seiner Be-