Viertes Kapitel
Taktische Arbeit und Flottenpläne
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Nachdem ich von 1889 bis 1890 im Mittelmeer die „Preußen“ und
dann die „Württemberg“ kommandiert hatte, sollte ich Oberwerft-
direktor werden, wurde aber infolge einer Bemerkung des Reichskanz-
lers v. Caprivi, ich müßte in einer Laufhahn gehalten werden, die mich
besser für verantwortliche Stellen vorbereite, vom Kaiser im Herbste
1890 zum Chef des Stabes der Ostseestation ernannt.
In dieser Stellung blieb ich bis zum Januar 1892, wo ich als Chef
des Stabes in das Oberkommando nach Berlin berufen wurde.
Von allen Seeoffizieren hatte ich damals wohl die gründlichsle
taktisch-strategische Lehrzeit hinter mir. Geschichtliche Studien haben
mich stets angezogen; die antike und moderne Seekriegsgeschichte war
mir früh vertraut, und zwar suchte ich bei der Geistlosigkeit der Dar-
stellungen nach Möglichkeit die ursprünglichen Quellen auf. Die Land-
kriegsgeschichte pflegte ich nicht nur aus Neigung, sondern auch um
tiefere psychologische Erkenntnis für das eigene Fach zu schöpfen. Ich
habe wohl alles Wesentliche gelesen, was über Friedrich den Großen,
die Freiheitskriege, 1856 und 1870 geschrieben ist.
Von vornherein war mir die Notwendigkeit klar, die Flottenausbil-
dung kriegsmäßiger zu gestalten. Dazu mußte vor allem eine ent-
sprechende Organisation der Flotte geschaffen und mit der kurzen
Sommerindienststellung zu gunsten dauernder Indienststellung der
Schiffe gebrochen werden. Man war damals im Reichsmarineamt an
der Arbeit, in falscher Anlehnung an die Armee die ganze Flotte in einer
Weise zu formieren, welche den Schwerpunkt der Marine an Land ver-