Full text: Tirpitz, Erinnerungen. Volksausgabe.

Taktische Arbeit und Flottenpläne 33 
Jene Jahre umfassen meine beste Leistung, die Erfüllung der Flotte 
mit militärischem Gehalt. Aber dem taktisch-strategischen Teil meines 
Lebenswerks fehlt, wie allen übrigen, der Stempel des letzten Erfolges. 
Das unbegründete Prestige der britischen Flotte hat den an der Spitze 
Deutschlands stehenden Männern den Mut geraubt, zu Anfang des 
Kriegs, als die deutsche Flotte die besten Aussichten hatte, sie um den 
Sieg kämpfen zu lassen. Die Schlacht vor dem Skagerrak ist, durch 
Dunkelheit unterbrochen, nicht bis zu Ende durchgeschlagen worden, 
in welchem Falle sie nach meiner Meinung Aussicht darauf geboten 
hätte, der Weltgeschichte ein anderes Antlitz zu geben. Der deutschen 
Flotte ist das bitterste Schicksal zuteil geworden, und mir blieb es 
versagt, mit ihr hinauszufahren. 
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Aus den taktischen Erkenntnissen ergab sich von selbst eine bestimmte 
wünschenswerte Zusammenstellung von Schiffsmaterial. So verdich- 
tete sich unsre in „Dienstschriften“ niedergelegte Oberkommando-Tätig- 
keit auch in konkreten Vorschlägen für den Bau einer Hochseeschlacht- 
flotte. Als ich später aus Ostasien zurückkam und das Staatssekre- 
tariat übernahm, gab ich auf die Frage: „was bringt man im Reichs- 
tag ein?“ zur Antwort: „das, was die neunte Dienstschrift enthält“. 
Trotz der taktischen Ergebnisse der Dienstschriften und ihrer An- 
erkennung durch den Kaiser arbeitete das Reichsmarineamt unter Holl- 
mann noch auf den Kreuzerkrieg hin, drängte auch den Kaiser in dieser 
Richtung und vertrat dieselbe Anschauung im Reichstag, allerdings 
ohne System, sodaß der Reichstag nach wie vor nicht sehen konnte, wo 
hinaus die Marine wollte. 
Wegen sachlicher Meinungsverschiedenheiten mit dem Marineamt, 
die sich hieraus ergaben, erbat ich Herbst 1895 meine Abkommandierung 
von Berlin und trat für die nächsten Monate zur Verfügung des Chefs 
der Ostseestation. Als im Dezember 1895 das Oberkommando eine 
Denkschrift über Flottenbaupläne ausgearbeitet hatte, erhielt ich vom 
Kaiser Befehl, mich unmittelbar dazu zu äußern. Um die Jahreswende 
reichte ich einen schriftlichen Bericht ein, den ich auch mündlich zu er- 
läutern Gelegenheit hatte. 
Zwel Gedankengänge bildeten sich damals in mir heraus: die tak- 
tische Notwendigkeit einer Schlacht flotte, wenn wir überhaupt auf 
Tirpitz, Erinnerungen 3
	        
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