Full text: Tirpitz, Erinnerungen. Volksausgabe.

Tsingtau 43 
Baumschulen an und unterwiesen die Einheimischen, mit denen wir auch 
hierdurch in ein immer besseres Verhältnis traten. Rings in der Gegend 
lehrten wir auch das Okulieren der Obstbäume, das den Chinesen noch 
fremd war; sie kamen in Massen, um sich die Pfropfreiser von uns zu 
holen; die Obstkultur Schantungs nahm zu. Das erste moderne Schlacht- 
haus Ostasiens, das wir in Tsingtau errichteten, begann uns zu Fleisch- 
exporteuren zu machen. 
Wir bemühten uns, mit den Chinesenbehörden gut zu stehen; die 
Vernünftigen unter ihnen gelangten immer mehr zu der Überzeugung, 
daß die Besetzung Tsingtaus ein Segen für sie war. Die Chinesen haben 
uns anerkannt und sind zusehends mehr zu uns gekommen. Vielleicht 
weil sie selbst ein altes Kulturvolk sind, haben sie begonnen, uns höher 
zu stellen als die Angelsachsen. Ich bin nicht der Meinung, daß wir 
vor dem Kriege irgendwie an tatsächlichen Leistungen hinter den Angel- 
sachsen zurückblieben, auch nicht in kolonisatorischer Hinsicht, nicht ein- 
mal in Afrika, wo die Verwaltung nur vielleicht etwas großzügiger hätte 
verfahren sollen. Ich möchte nicht annehmen, daß wir den Angelsachsen 
irgendeine Weltmission zuerkennen sollten, die wir nicht selbst wahrschein- 
lich besser vollbracht hätten, wenn nur die materielle Grundlage geschaffen 
war. Der Deutsche hatte ja noch etwas vom Emporkömmling, er stand 
an Selbsthilfe hinter dem Angelsachsen zurück. Aber es war alles so 
ordentlich und gediegen bei uns, es waren trotz manchen auf den Schein 
und den Augenblick befohlenen Anordnungen von oben, im Ganzen Lei- 
stungen, die sich selbst durchsetzten auch auf Gebieten, welche die Eng- 
länder als ihre Domäne ansahen, wie das Kolonisiren, weil bei uns 
noch der deutsche Fleiß dahintersteckte. 
Der Aufstieg Tsingtaus jedenfalls war ein Steeple Chase, besonders 
da es im progressiven Zeitmaß weiterzugehen versprach. Auch die Deut- 
schen Chinas gewöhnten sich mehr und mehr daran, in Tsingtau 
zu siedeln und die Stadt als Sammlungsplatz des deutschen Wesens 
anzusehen. 
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Dem Auslandsdeutschtum hatte die Marine ihr Herz geschenkt, seit 
Stosch von Beginn seiner Tätigkeit an der Flotte das Ziel setzte, die 
Welt kennen zu lernen und die Deutschen in der Fremde heranzuholen. 
Wie hatte doch in den Zeiten unserer Machtlosigkeit deren Heimatstolz 
darniedergelegen! Im Kriege von 1870 hatte im englischen Hongkong
	        
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