46 Aufstieg
französische Auswanderung, ist von unsern Auslandsbehörden bis kurz
vor dem Krieg nur lässig betrieben worden. Es fehlte ihnen vielfach
das warme Gefühl dafür, daß eine große Nation sich auch in ihren
zerstreuten Gliedern nicht aufgeben darf. Ich will mir nicht das böse
Wort zu eigen machen, daß manche unsrer amtlichen Auslandsvertreter
das Vorhandensein von Auslandsdeutschen vorwiegend als Last emp-
funden haben; doch muß ich von der Marine sagen, daß sie durchschnitt-
lich eifriger war, das Deutschtum zu binden und mit Stolz auf die
Heimat zu durchdringen. Wo immer deutsche Ansätze waren, haben wir
uns für Erstarkung des nationalen Zusammenhangs über See bemüht.
Um die Deutschen zusammenzuhalten, waren die verschiedensten Anlässe
gut. Wir sind über alle Klassenunterschiede hinweggegangen, was in
Ostasien leichter war, als anderswo, weil dort die dienende Schicht
unter den Deutschen fehlte. Der Gottesdienst führte uns zusammen;
an Kaisers Geburtstag wurde alles eingeladen, was die deutsche Sprache
spricht; an diesem Tag sah man alle möglichen Leute auf dem Schiff.
Draußen bindet ja Sprache und Blut viel mehr, und die Grenzstriche
verwischen sich; die Östreicher rechneten überall zu uns, sogar die
Schweizer. Auch unsre Kauffahrtei, die früher nur zu geneigt war,
sich an die anderen anzuschmiegen, ist durch dieses Bestreben der Kriegs-
marine nationaler geworden.
Wie das Seeoffizierskorps den Dienst am Deutschtum auffaßte,
möchte ich aus einem zu meinem Geburtstag März 1914 mir vom Kom-
mandanten des „Kaiser“ aus Südamerika zugegangenen Brief belegen.
... „Davon bin ich jedenfalls überzeugter denn je, daß ein Hinaus-
schicken unserer Schiffe für Offiziere und Mannschaften und für die Schiffe
selbst eine Notwendigkeit ist; ohne diese Maßnahme muß die Marine immer
kommissiger werden — ich finde keinen anderen Ausdruck. Es spielt aber
doch auch noch Größeres mit. Es gibt so viel deutsches Blut im Ausland,
was festgehalten oder wieder belebt werden muß. Warum soll die Zeit
nicht kommen, wo das wieder einmal durchschlägt; nicht um uns anzu-
gliedernde Staaten zu bilden, sondern um bei der Rassenbildung sich durch-
zusetzen und für unser Mutterland natürliche Absatzgebiete zu schaffen, ohne
die wir daheim schließlich ersticken müssen. Dann können wir auch wieder
auswandern lassen. Der Brasilianer kolonisiert nicht, er besitzt keine Arbeits-
kraft und läßt das Land leer. Die Rasse wird sich dort erst bilden, wenn
das Land sich von außen füllt. Deutschtum zurückgewinnen, deutsches Blut