50 Aufstieg
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Wir haben alles gehabt, nur nicht eine Politik, welche uns ermög-
lichte, diese Probe auf deutsche Bewährung zu einer dauernden Position
zu gestalten. Ich habe Tsingtau seit 1896 nicht wiedergesehen, doch so-
viel Sorgen und Liebe hineingebaut, daß sein Verlust mich wie ein
körperlicher Schmerz berührte. Mit nur etwa 3—4000 Mann Besatzung
war der Ort, so wie wir ihn befestigt hatten, gegen Chinesen unbegrenzt,
gegen Franzosen, Russen, auch gegen Engländer lange Zeit zu halten.
Gegen den Angriff einer japanischen Armee hätten wir auch mit großen
Geldmitteln keine Festung bauen können. Gegen die ganze Welt voll-
ends kann man überhaupt nichts behaupten; dafür ist kein Kraut ge-
wachsen.
Der Gedanke, uns einen starken Stützpunkt in Ostasien zu schaffen,
nach dem die Deutschen gravitieren konnten, war richtig; aber die Vor-
bedingung war, daß wir uns mit Japan gut stellten. Trotz unserm
Einspruch gegen den Frieden von Schimonoseki 1895 war kein Schatten
zwischen uns und Japan gefährlich, solange Rußland uns gewisser-
maßen in die neutrale Zone rückte. Auch nach dem Zusammenbruch der
russischen Ostasienpolitik im Jahre 1905 lag für eine rechtverstandene
japanische Politik kein Anlaß vor, uns aus China wegzuwünschen. Wir
hätten aber nach 1905 alles tun müssen, um den Fehler von Schimo-
noseki wieder gutzumachen 1).
Soweit ich nach der Richtung hin Einfluß hatte, der ja gering war,
habe ich stets für ein gutes Einvernehmen mit Tokio gewirkt. Meines
Wissens hat die deutsche Regierung keinen ernsten Versuch unternommen,
Zusicherungen von Japan, z. B. hinsichtlich der Neutralisierung Ost-
asiens, zu erhalten. Über das japanische Ultimatum war ich nicht
eigentlich überrascht. Ich nahm jedoch an, daß Japan eigentlich wegen
des schweren Gegensazes zu Amerika, der früher oder später akut wer-
den muß, unsre Anwesenheit in China wünschen müßte. Da meinem
Wunsch gemäß Tsingtau von Anfang an als Freihafen erklärt wurde,
im Gedanken, daß wir dabei als Besitzer selbst niemals zu kurz kommen
würden, machte Japan dort keine schlechten Geschäfte; das einzige, was
bei diesem freien Handel ihm unsere Gegenwart ernstlich verleiden
konnte, war sein Hunger nach Kohle.
1) Kap. 14.