Tsingtau 51
Am 15. August 1914 traf das japanische Ultimatum ein, dessen
schroffer Wortlaut sehr ähnlich demjenigen unserer Schimonosekinote
von 1805 gewesen sein soll. Bethmann neigte auf den Rat unseres
Botschafters in Tokio, des Grafen Rex, dazu, das Ultimatum anzu-
nehmen. Ich setzte die Nichtbeantwortung durch. Gingen wir mit
kampfloser Übergabe aus Tsingtau, so verloren wir es unter allen Um-
ständen; das Bündnis mit Japan, auf das wir hinstreben mußten, war
aber nur denkbar, wenn wir zuvor in Ostasien unsere Ehre wahrten.
Auch jetzt noch wird es uns zustatten kommen, daß wir bei dem doch
nicht aufzuhaltenden Ende unseres chinesischen Kolonialversuches die
„Pflichterfüllung bis zum Äußersten“ hochgehalten haben. Die be-
dingungslose Übergabe hätte damals die Stimmung in unserem natio-
nalen Daseinskampf schwer niedergedrückt. Japan als Feind hat uns
nicht mehr geschadet, als die Hinnahme der Beleidigung geschadet hätte.
Außerdem konnte im August 1914 noch niemand sagen, wie lange der
Krieg dauern würde; die Armee urteilte damals zuversichtlich in ihrem
Siegeslauf. Die Möglichkeit, Tsingtau bis zu einem vielleicht nahen
Kriegsende zu halten, mußten wir mitnehmen. Ein Versuch, Tsingtau
an Amerika zu geben, etwa im Umtausch mit den Philippinen, mußte
notwendig scheitern.
Wir hatten die Boxerstellung militärisch zu einer geschlossenen Um-
wallung ausgebaut, die nur einige Infanteriewerke, Gräben und Draht-
verhaue umfaßte, und die Seefront mit ein paar Krupp'schen Kanonen,
die wir von den Takuforts umsonst bekommen hatten, gegen Aufstän-
dische bestückt. Die letzte Granate war verschossen, als Tsingtau sich
ergab. Wie dreißigtausend Feinde den Generalsturm eröffneten, der
mit Artillerie nicht mehr abgewehrt werden konnte, handelte es sich nur
noch darum, ob der Rest unserer Besatzung sich von den Anlaufenden
in der nichtumwallten Stadt totschlagen lassen sollte. Da hat der
Gouverneur richtig gehandelt, zu kapitulieren. In den eroberten Straßen
suchten die Japaner noch lange nach den vermuteten zwölftausend Deut-
schen. Es waren zweitausend gewesen, dazu vielleicht anderthalbtausend
Wehrpflichtige und Freiwillige, die aus der deutschen Beamten- und
Kaufmannschaft aller Siedelungen Chinas in Treuen herangeströmt
waren.
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