Sechstes Kapitel
Im Reichsmarineamt
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Als ich im Frühjahr 1897 den Rückberufungsbefehl aus Ostasien
bekam und über Amerika heimreiste, teilten mir in Salt Lake City
neugierige amerikanische Journalisten mit, Eugen Richter hätte in den
Zeitungen bereits gegen mich als den künftigen Staatssekretär ge-
schrieben. Ich war damals parlamentarisch noch nicht genügend ge-
schult, um meinem unerbittlichen Gegner gegenüber diese Tatsache aus-
zusplelen, daß er mich schon angriff, als er mich noch garnicht kannte.
Ich schied mit schwerem Herzen aus der Front und hatte dem Kaiser
1895 gesagt, der Flottenbau könnte meines Erachtens nur in Gesetzes-
form gelingen, zu deren parlamentarischer Durchführung nach allge-
meinen Erfahrungen eine sogenannte „Schlagschnauze“, die ich nicht
besäße, und eine politische Routine gehörte, die nicht in meiner bisher
rein militärischen Linie läge. Als ich nun im Juni 1897 in Potsdam
eintraf, sagte mir der Kaiser, es wäre alles fertig für die Flotten-
kampagne; ich brauchte nur zuzustimmen. Der Kaiser hatte während
meiner Abwesenheit durch eine Kommission einen Gesetzentwurf aus-
arbeiten lassen, der meines Erachtens aber nicht brauchbar war. Bei
produktiven Aufgaben habe ich nie Großes von Ausschüssen gesehen.
Sie sind mehr für kritische Leistung. Die Verantwortung verdunstet in
ihnen, und es fehlt der Ernst gegenüber dem gewaltigen Unterschied
zwischen Idee und Verwirklichung. Im vorliegenden Fall war aber der
Kaiser von dem Werk seiner Kommission sehr eingenommen. Ich erbat
mir einige Tage Bedenkezeit.
Dieser Entwurf legte den Schwerpunkt auf eine riesige Auslands-
flotte. Nun gab es zu jener Zeit nur noch wenige Staatsbildungen
auf der Erde, wie Haiti usw., bei denen Schädigungen unserer Rechte
mit Auslandskreuzern wieder gutgemacht werden konnten, ohne daß