Full text: Tirpitz, Erinnerungen. Volksausgabe.

Im Reichsmarineamt 53 
daraus ein eigentlicher Konflikt entstand. Auch schon Staaten wie 
Argentinien verfügten über moderne Kriegsschiffe, so daß hinter jedem 
Auslandskreuzer eine heimische Seemacht stehen mußte, wenn er seinen 
Zweck als Vorposten erfüllen sollte. Wir besaßen zudem keinen einzigen 
Auslandsstützpunkt. In meiner ganzen Laufbahn habe ich immer wieder 
zwei namentlich bei Laien beliebte Vorstellungen zu bekämpfen gehabt, 
den Gedanken eines besonderen Küstenschutzes und den Gedanken einer 
Auslandskreuzerflotte. Daß der beste Küstenschutz in einer Schlacht- 
flotte besteht, hat der Weltkrieg bewiesen. Bezüglich des Kreuzer- 
krieges aber sagte ich dem Kaiser damals etwa folgendes: Da ein 
durchschlagender Kreuzerkrieg und transozeanischer Krieg gegen Eng- 
land und andere große Staaten wegen Mangels an auswärtigen Stütz- 
punkten und wegen der geographischen Lage Deutschlands vollkommen 
ausgeschlossen ist, die fremden Admiralitäten dies auch wissen, so kommt 
es auf einen Schlachtkörper an, der zwischen Helgoland und der Themse 
stehen kann. 
Ich hatte eben in Ostasien wieder die künstlichen Stelzen unserer 
Weltstellung wahrgenommen. Von vielen Seiten wurde mir berichtet, 
welche Schwierigkeiten die Engländer allem Deutschen bereiteten, und 
wie die angestrebte Achtung des „Made in Germany“ und die vom 
Krügertelegramm ausgelöste Deutschenhetze vor sich gingen. Die Deut- 
schen wurden aus den Ortsverwaltungen der Europäersiedelungen, in 
denen sie früher beteiligt waren, verdrängt, ebenso aus den englischen 
Gesellschaften und Werften. Ich hatte selbst empfunden, wie unser 
ostasiatisches Geschwader beim geringsten Anlaß durch Versagung der 
Docks bewegungsunfähig gemacht werden konnte. Man merkte damals, 
Mitte der Neunziger Jahre, wie die Welt anfing, schneller zu gehen. 
Der deutsche Handel, die „Offene Tür“, konnten nicht mehr durch 
fliegende Geschwader geschützt werden; wir mußten an allgemeiner 
Macht zunehmen, d. h. bündnisfähig mit Weltmächten werden. Bünd- 
niswert aber besaß und gab nur eine Schlachtflotte. Ein einziger 
Verbündeter zur See aber hätte sogar im späteren Weltkrieg genügt, 
uns den Kampf um die freie See mit den günstigsten Aussichten zu 
ermöglichen. 
Eine bündnisfähige Flotte zu schaffen, war also das Erste; eine 
entsprechende Bündnispolitik sowie Vermeidung aller weltpolitischen An- 
stöße vor Erreichung dieses Zieles war das Zweite, wonach wir unter
	        
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