Full text: Tirpitz, Erinnerungen. Volksausgabe.

58 Aufstieg 
glaubt er eher daran. Kleinerer Schwächen der Gesetzesform war ich 
mir bewußt, aber ich hatte keine Wahl, wenn wir unter den gegebenen 
Verhältnissen vorwärtskommen wollten. 
Aber auch des Kaisers lebhafter Geist war auf Schiffsbau ein- 
gestellt und wurde von allen möglichen Eindrücken und Personen gespeist. 
Wünsche und Vorschläge sind in der Marine billig und wechseln wie 
im Kaleidoskop; wenn der Kaiser mit irgend einem Offizier ge- 
sprochen oder im Ausland etwas gesehen hatte, war er voll neuer 
Forderungen, konstruierte, warf mir Rückständigkeit vor, glaubte mich 
durch Mahnungen aufrütteln zu müssen, und außer durch mehrfache 
Abschiedsgesuche konnte ich später nur durch die gesetzliche Bindung jene 
Stetigkeit der Entwicklung sichern, welche die Grundbedingung jedes 
Erfolges war. 
Die Gesetzesform hatte noch den sehr großen Vorteil, daß wir 
kaufmännischer vorgehen und nach vielen Richtungen wirtschaftlicher 
disponieren konnten, wenn wir eine längere Strecke Wegs überblickten. 
Und Sparsamkeit, in welcher eine große Summe von Vorausberechnung 
steckte, war für die Wehrmacht in Deutschland eine bittere Notwendigkeit. 
Schon Anfang Juni 1897 hatte ich eine Unterredung mit dem 
damaligen preußischen Finanzminister v. Miquel gehabt, hauptsächlich, 
um die allgemein politische Seite der Flottenvorlage mit ihm zu er- 
örtern, wobei er mir einige allgemeine Zusicherungen auf Unterstützung 
gab. Sehr unerwartet kam mir nun am 5. August ein Artikel der 
„Nordd. Allg. Zeitung“, der, von Migquel inspirirt, ausführte, das an 
sich erstrebenswerte Gesetz wäre vorläufig nicht zu machen; fort- 
schreitende Entwicklung der Marine sei nötig, müsse aber ohne Beschrän- 
kung der parlamentarischen Rechte des Reichstags durchgeführt werden. 
Diese Veröffentlichung war ohne Zweifel unzulässig und für das 
Gesetz gefährlich. Trotzdem vermied ich einen offenen Konflikt. Miquel 
war wie das ganze Staatsministerium gegen das Gesetz, wollte aber 
des Kaisers wegen nicht offene und schroffe Opposition machen, ver- 
suchte deshalb allgemein abzuwiegeln und mich durch Vorstellung der 
Schwierigkeiten von meinem Plan abzubringen. Als er sah, daß ich 
fest zu bleiben entschlossen war, wurde er entgegenkommender. 
Die allgemeine Skepsis bei den Spitzen und Gleichgiltigkeit bei 
den Massen des Volks brachte mich auf den Gedanken, um Bismarcks 
Unterstützung zu werben.
	        
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