68 Erste Flottengesetze und Flottenbau
tischen Gesichtspunktes sprach, z. B. bei dem Feldmarschall v. d. Goltz,
Verständnis gefunden. Wir ließen Versammlungen und Vorträge ab-
halten, und bemühten uns namentlich, in großem Maßstabe Fühlung
mit der Presse zu bekommen. Wir empfingen jede Zeitung ohne Unter-
schied und gaben allen sachliche Aufklärung ohne Polemik. Sie konnten
damit machen, was sie wollten; eine gewisse Dankbarkeit für das von
uns gegebene Material prägte sich doch aus, und so kamen wir vorwärts.
Die altherkömmliche Gastfreundschaft der Marine gab den Ton für
die Behandlung der Offentlichkeit. Wir wollten nicht Gitter um uns
errichten, sondern grundsätzlich die Flotte als Sache des ganzen Volkes
behandelt wissen. Wir ließen Reisen zur Wasserkante machen, zeigten
die Schiffe und Werften, wandten uns an die Schulen, forderten Schrift-
steller auf, für uns zu schreiben; es kamen Stöße von Romanen und
Broschüren. Vom Kultusministerium sollten Preise an die Schulen
gegeben werden. Die Reichsleitung, ohne welche ein nachgeordnetes
Ressort wie das Reichsmarineamt ja nichts unternehmen konnte, unter-
stützte uns unter Bülow. Doch würde die Propaganda noch glücklicher
gewesen sein, wenn das Staatsministerium sie übernommen hätte. Wir
waren noch starke Außenseiter. In Preußen z. B. hatten wir kein Recht
auf den Staatsapparat. Ferner konnte, um eine solche Propaganda zu
machen, auf keine etatsmäßige Bewilligung gerechnet werden. Ich habe
denn auch den ganzen Werbefeldzug sozusagen kostenlos mit freiwilligen
Spenden durchführen können. Auch das war in Deutschland ein neues
Verfahren. Das Entscheidende war, daß der Gedanke zündete; dann
trug sich der Funken von selber weiter.
Es offenbarte sich ein gewisses Bedürfnis der Nation nach einem
Ziel, nach einer vaterländischen Sammlungsparole. Das Volk war
nicht saturiert. Wenn ein Volk saturiert ist, geht es nieder. Stillstand
und Rückgang liegen hart beisammen. Das war bei uns nicht der Fall,
und binnen kurzem war die Flotte als Lebensfrage anerkannt und
ein selbstverständliches Besitztum der Nation. Freilich, der politisch
naive Deutsche glaubte vielfach jetzt plötzlich, schon eine mächtige Flotte
zu besitzen, während es sich erst darum handelte, eine solche zu
bauen. Übertreibungen und unzutreffende Vergleiche mit England, Her-
ausforderungen und Taktlosigkeiten in der Presse, Parlament und son-
stiger Offentlichkeit waren trotz allen auch von mir unternommenen
Warnungen nicht ganz zu unterdrücken.