Der erste parlamentarische Erfolg 69
Es war ja ein entscheidender Fortschritt, daß die Nation jetzt die
See liebgewann. An nationalem Überschwang sündigt der Deutsche
nur deshalb, weil er als unverbesserlicher politischer Illusionist zwischen
den beiden Extremen der Machtscheu und des Machtrausches hin- und
herschwankt. s
Am 15. September 1897 hielt ich dem Reichskanzler Fürsten Hohen-
lohe zum ersten Male Vortrag über die Gesetzesvorlage, die bald danach
dem Reichstag vorgelegt wurde.
Um mit den maßgebenden Abgeordneten Fühlung zu bekommen, ließ
ich durch meine Mitarbeiter Vorbesprechungen einleiten und trat persön-
lich ins Gespräch, nachdem ich die Stimmung schon kannte. An Eugen
Richter war ja nicht heranzukommen. Aber ein Teil des Freisinns unter
Barth und Rickert ging mit. Die Nationalliberalen waren unsere besten
Freunde. Um die anfänglich lauen Konservativen brauchte ich mich nicht
zu bemühen, da sie mit Ausnahme von Einspännern grundsätzlich für
Wehrvorlagen stimmten, immerwährend eingedenk der harten Geschichte
und bedrohten Gegenwart Preußen-Deutschlands. Das Zünglein an
der Wage bildete das Zentrum.
Freiherr v. Hertling, ein Freund unserer Sache, bezweifelte wie die
Mehrzahl aller Politiker die Möglichkeit, eine gesetzliche Bindung zu
erlangen. Er sagte, die bisherige uneinheitliche Behandlung aller Marine-
fragen hätte es den Gegnern zu sehr erleichtert, Stimmung gegen alle
Flottenpläne zu machen; zudem schwirrten Staatsstreichsgerüchte.
Unsere Besprechungen mit dem Zentrumsführer Dr. Lieber, der sich
bei persönlicher Empfindlichkeit sachlich als sehr geeignet erwies, haben
schließlich das Gesetz gesichert.
So wurde der „Sprung über den Stock“, auf den es bei dieser ersten
gesetzlichen Festlegung der Seemacht ankam, vollzogen. Der Reichs-
tag begab sich eines Teiles seines Rechtes, jährlich in die Marine-
entwicklung einzugreifen. Der nationale Gesichtspunkt verdrängte den
des parlamentarischen Betätigungstriebes. Letzten Endes hatten wir
das Parlament darum überzeugen können, weil wir selbst überzeugt
waren.
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Bald wurde es klar, daß Nachforderungen notwendig werden würden.
Ausschlaggebend hierfür war, neben militärischen und finanztechnischen
Gründen, die sich ändernde Weltlage. Bei Samog waren ein paar