Full text: Tirpitz, Erinnerungen. Volksausgabe.

84 Unter dem Kaiser 
Krieg die Möglichkeit vertraulicher Aussprache überhaupt entzogen 
wurde. 
Ständiger Gast in Rominten war mein Amtsvorgänger, Admiral 
Hollmann, der bei meinen dortigen amtlichen Vorträgen neben dem 
Kabinettschef zugezogen wurde. Seine Ruhe und Sachkenntnis und 
sein persönliches Unbeteiligtsein wirkten wohltuend, da ihn der Kaiser 
mit Recht als einen Freund, der seine Interessen wahrnahm, be- 
trachtete. Wenn der Kaiser seine amtlichen Gehilfen nicht immer 
ebenso ansah, auch wenn sie an wirklicher Treue nicht zurückstanden, 
so ist mir von Männern, welche die Jugendjahre Wilhelms II. kannten, 
gesagt worden, daß sein Erzieher Hinzpeter ihm planmäßig Mißtrauen 
gegen seine künftigen Berater anerzogen habe. Ist das richtig, so hat 
Hinzpeter die damaligen preußisch-deutschen Verhältnisse verkannt, wenn 
es auch notwendig bleibt, einem künftigen Herrscher Menschenbeurtei- 
lung anzuerziehen. Ich habe in meinem kleineren Tätigkeitsfeld immer 
gefunden, daß es besser ist und die guten Eigenschaften stärker zum 
Tragen bringt, wenn man einem Untergebenen nach vorangegangener 
Prüfungszeit rückhaltloses Vertrauen entgegenbringt. Wohl wird man 
dabei einmal auch bitter getäuscht. 
Im Romintener Jagdhaus hatte der kaiserliche Haushalt mehr 
bürgerlichen Zuschnitt; es gab Hausmannskost an laubgeschmückter 
Tafel. Abends wurde oft gemeinsam vorgelesen. Zu den regelmäßigen 
Besuchern gehörte der Oberst der nächstgelegenen russischen Grenz- 
garnison, dem im Scherz empfohlen wurde, SFirsche und Heide zu 
schonen, wenn er einmal einrücken sollte. In der Tat hat der Zar bei 
Kriegsbeginn den Befehl gegeben, Rominten nicht zu verwüsten. Von 
der Marine erwartete der „Oberste Jagdherr“ Waidmannsheil. Es 
hat aber Jahre gedauert, bis er mir die grüne Hofjagduniform verlieh. 
Ich wurde oft zur Pirsch in die herbstprangende Romintener Heide 
mitgenommen; aber während meines amtlichen Vortrags durfte kein 
Hirsch schreien, dafür sorgten meine guten Freunde, die Förster. 
Die Kaiserin, deren regelmäßige Anwesenheit der Romintener Welt 
die besondere Farbe gab, beteiligte sich grundsätzlich nicht an politischen 
Fragen. Wenn sie aber im wahren Interesse ihres Gemahls glaubte, 
einmal eingreifen zu sollen, so tat sie es mit Charakter und meistens 
mit Erfolg. Ich gedenke der hohen Frau in wahrhafter Verehrung. 
Ihre Wesensart wurde von allen, welche den Vorzug gehabt haben,
	        
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