Zehntes Kapitel
Marine und auswärtige Politik
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Im Grunde war jedes Kriegsschiff, das auf der Welt irgendwo
außerhalb Englands gebaut wurde, ein Vorteil für uns, weil dadurch
das Gleichgewicht zur See gestärkt wurde. Die angelsächsische All-
gewalt zur See wie überhaupt in der Welt war vor dem Weltkrieg
noch nicht für sakrosankt erklärt. So gut z. B. Bulgarien oder Rumänien
neben den Landgroßmächten eigene Heere schaffen konnten, die zwar
für sich nichts, aber durch ihren Bündniswert unter Umständen sehr viel
bedeuteten, so wurden neben der britischen kleinere Marinen gebaut,
welche unter dem Bündnisgedanken, wie ihn Bismarck ausgesprochen
hat, Gewicht erhielten. Wenn man ein englisches Monopol zur See
anerkannte, so war nicht nur jeder Flottenbau, nicht nur jede selb-
ständige Politik, sondern ich möchte sagen, jedes freie Selbstgefühl
anderer Völker unmöglich. Warum aber bauten Japan, Frankreich,
Rußland, Amerika, warum bauten Italien und die kleinen Staaten
Schiffe? Wenn man sagt, es wäre doch nutzlos, mit der stärksten
Seemacht in Wettbewerb zu treten, so hätte es ja für keinen Staat Zweck
gehabt, sich eine Marine zu halten.
An und für sich besteht kein Grund, weshalb die Interessen der Völ-
ker zur See sich nicht ebenso auf gegenseitige Ausgleichung stellen soll-
ten, wie zu Lande. Was das Militärische betrifft, so hat allerdings der
an sich Stärkste zur See durch die Beherrschung der unbegrenzten Fläche
mehr voraus als zu Lande. Aber seine Alleinherrschaft kann gebrochen
werden durch das Schlachtenglück, das in der Seeschlacht eine noch
entscheidendere Rolle spielt, als im Landkrieg, und zweitens durch
Bündnisse. Ich stand auf dem Gedanken, daß Flotten- und Bündnis-
politik sich ergänzen müssen: eine verliert ohne die andere ihre durch-