88 Marine und auswärtige Politik
sondern auch die meisten der nicht angelsächsischen Völker, die sich an
den englischen Siegeswagen haben schirren lassen. Eine zugleich wage-
mutigere und behutsamere deutsche Politik (wir waren unvorsichtig bei
aller Furchtsamkeit) hätte die Bündniskraft unserer Risikoflotte, den
einzigen weltpolitischen Trumpf, den wir bei unserer geographischen Lage
besaßen, so ausspielen können, daß der Weltfriede gesichert war. Da unsere
Diplomatie dies nicht vermocht hat, trat die Verbindung von Bündnis-
und Flottenpolitik nicht ins Leben, die eine Konzentrierung unserer
Ziele und Mittel bedingt haben würde.
Unter anderem mußten wir alles tun, um die Freundschaft unserer
kleinen Nachbarstaaten zu erwerben. Seepolitisch war ein engeres Ver-
hältnis zu Dänemark vom größten Nutzen, in dieser Richtung wichtiger
z. B. als das Bündnis mit Österreich, und ich wäre bereit gewesen,
für eine See- und Wirtschaftsabmachung mit diesem germanischen
Vetternvolk Gebietsopfer zu bringen, welche die dänischen Empfindungen
uns gegenüber wieder freundschaftlich gestalten konnten. Verschiedent-
lich habe ich bei Gesprächen mit dem Herzog von Glücksburg, einem
Verwandten des dänischen Königshauses, diesen Gedanken einer Über-
prüfung des Prager Friedens gestreift. Er war vor etwa einem Jahr-
zehnt der Ansicht, daß Dänemark durch ein Entgegenkommen bezüg-
lich der sogenannten jütischen Enklaven Nordschleswigs wohl zu ge-
winnen sein würde. Amtlich war ich nicht in der Lage, mich mit diesen
Privatgedanken zu befassen. Ein derartiges Entgegenkommen würde
selbstverständlich entsprechende dänische Gegenleistungen vorausgesetzt
haben. Wenn Dänemark abermals, wie in einer früheren Epoche,
als Deutschland am Boden lag, glaubt, unser Unglück einseitig aus-
nutzen zu dürfen, so möge es sich des Endes jener Epoche bei Düppel
erinnern und es deshalb vermeiden, im Herzen des deutschen Volkes
abermals einen Stachel zurückzulassen.
Es wäre mein Wunsch gewesen, daß unsere Auslandsvertretungen
die Interessen skandinavischer, schweizerischer und holländischer Priva-
ter, soweit diese es wünschten, taktvoll begünstigten und sich derselben
annähmen, als wenn es deutsche wären. Diese kleinen, für uns
wie für die Welt so wichtigen Staaten selbst würden unsere Macht-
entwicklung freundlich begrüßt haben, wenn sie in jeder Schwierigkeit
einen selbstverständlichen Rückhalt an uns gefunden und wir es ihnen
erleichtert hätten, den Gedanken „Europa“ unermüdlich und