Der Mangel an Geschicklichkeit 91
wäre in diesem Zusammenhang mein Wunsch gewesen, daß wir da-
von abgesehen hätten, die von England eingeführte barbarische Sitte
der Internierung wehr- und harmloser Zivilgefangener mit gleichem
zu vergelten. Auch war ich dagegen, die von den Feinden be-
gonnenen Luftangriffe auf offene Städte und Zivilbevölkerungen
nachzuahmen, sofern dadurch kein erheblicher militärischer Abbruch ge-
tan wurde und sie mehr nur als Nadelstiche wirkten im Gegensatz zu
konzentrierter Verwendung der Luftwaffe zu bestimmten großen mili-
tärischen Zwecken (Londoner City und Docks!).
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Der Flottenbau bedurfte, um zu gelingen, des Friedens, und
sicherte seinerseits, je näher er dem Abschluß kam, den Frieden, den
Deutschland zu seinem ungebrochenen Gedeihen nötiger brauchte und
bei seiner geographischen Lage schwerer erhalten konnte, als irgendein
anderer Großstaat. Die Jahrzehnte vor dem Weltkrieg charakterisier-
ten sich für Deutschland durch höchste Blüte und höchste Gefährdung
bei hohem, aber noch nicht ganz zureichendem Schutz durch eigene
Macht. Bismarck ist in mehreren Phasen seines Waltens als „Jong-
leur“ bezeichnet worden; auch die zweifellos sehr geschickte Persönlichkeit
des Fürsten Bülow hat bei ihrem so bedauerlichen Abgang den Ehren-
namen „Seiltänzer“ mitbekommen. In der Lage Deutschlands konnte
nur außerordentliche Anpassung an wechselnde Lagen vor Schaden be-
wahren. Wir durften es uns nicht erlauben, Fehler zu machen. Bis-
marck sagte einmal, als über den Reichskanzler-General Caprivi geklagt
wurde: „Wartet nur, bis ihr einen wirklichen Bureaukraten zum Kanzler
habt, dann werdet ihr etwas erleben.“ Ein sturer Illusionist, wie der
Nachfolger Bülows, fiel durch sein mangelndes Schätzungsvermögen
den Verstrickungen unserer Weltlage zum Opfer. Die Hauptbedingung
für einen Leiter des Deutschen Reichs war und wird stets bleiben,
daß er die auswärtige Politik versteht. Dazu gehört nicht unbedingt
die diplomatische Schwarzkunst, aber Kenntnis der wirklichen Grund-
verhältnisse der Welt und Sinn für das Wahrscheinliche. Kanzler
und Demokratie hatten keine Vorstellung von der wahren Schwierig-
keit und Gefährdung unserer Lage, die mit der Pinzette angefaßt wer-
den mußte.
Aber darf ein Volk, das kein Geschick für eigene Geschäfte zeigt und,