Staats, die Störung des Landfriedens durch räuberisches Junker—
tum nicht aufkommen. Hier war die Stätte nicht für das trutzige
Liedlein, das der Adel im Reiche sang: „ruten, roven, dat is kein
schande, dat doynt die besten im lande“. Die Ritter und Knechte
des Landes, reich begütert zumal im Westen und im Oberlande,
vermochten vorerst dem mächtigen Orden nicht zu trotzen. Sie er—
freuten sich der Gunst des großen Winrich, der aus diesen Grund-
herren den Kern der berittenen Landwehr bildete. Sie blieben
der Gerichtsbarkeit des Ordens unterworfen und standen mit den
Städten in friedlichem Verkehr durch den schwunghaften Getreide-
handel. Die übrige freie Landbevölkerung verschmilzt allmählich zu
einer Masse; die große Mehrzahl der alten preußischen Freien
erwirbt das freie kulmische Recht der deutschen Kölmer. Auch die
Pflichten der Grundholden werden leichter, seit der Orden die Be-
deutung der rasch eindringenden Geldwirtschaft erkennt und die Ver-
wandlung der Dienste in Geldzinsen gestattet. Der den Hanse-
bürgern abgesehene Grundsatz unbedingter Freizügigkeit befördert
den Anbau und sichert die Freiheit, ohne doch, bei dem festen
Erbrechte der Bauernhöfe, ein allzu rasches Hin= und Wiederfluten
der Bevölkerung zu bewirken. Und wie sollte des Landmanns
Lage da auf die Dauer eine gedrückte bleiben, wo der rastlose
Kampf mit der Flut des Meeres und der Ströme fortwährend
die persönliche Kraft des Bauern herausfordert? Der Mahnruf
des Dichters an die Monarchie des Mittelalters: „Dir ist befoh-
len der arme Mann“ befolgt die Aristokratie der deutschen Herren
um so eifriger, je gefährlicher die Macht des städtischen und des
Landadels emporwächst. Dem großen Winrich hat das Volkslied
das edelste Fürstenlob, daß er ein Bauernfreund gewesen, nach-
gesungen. 1
Die Kirche bleibt in der alten Abhängigkeit. Die Klöster vor-
nehmlich unterliegen der strengen Aufsicht des Ordens, und allein
kraft eines Terminierbriefes der Landesherrschaft darf der Bettel-
mönch fromme Gaben heischen. Nur in Ermeland, wo es nicht
gelungen war, das Domkapitel mit deutschen Herren zu besetzen,
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