Full text: Auswahl für das Feld.

des gemeinen Kaufmanns. Schon längst war der deutsche Kauf— 
herr gewohnt, seine Koggen nur in starken Flotten auf die friedlose 
See zu senden. Vollends in den wüsten Kriegen zur Zeit der 
kalmarischen Union hatten die streitenden Mächte des Nordens das 
alte Unwesen der Seeräuber ermutigt durch ihre Stehlbriefe. Seit- 
dem war der Piratenbund der Vitalienbrüder, geführt von adligen 
Abenteurern, den Sture, den Manteuffel, herrschend im baltischen 
Meere, hatte Gotland besetzt und das verfallende altehrwürdige 
Wisby in ein festes Raubnest verwandelt; seine Auslieger lauerten 
in allen Winkeln der buchtenreichen See versteckt. Was die skan- 
dinavischen Kronen nicht wagen, gelingt endlich der jungen Flotte 
des Ordens (1398): unterstützt von den Schiffen seiner Städte 
erobert er Gotland, verhängt ein furchtbares Strafgericht über 
die Räuber und läßt seine Friedensschiffe in der Ostsee kreuzen. 
Bald darauf setzen sich, kraft alter Herrschaftsrechte, die Dänen auf 
der Insel fest; der Orden aber rüstet eine neue Flotte, bringt an 
zweihundert dänische Schiffe auf, landet ein Heer von 15 000 Mann 
auf Gotland und pflanzt die Kreuzfahne wieder auf den Wällen 
von Wisby auf (1404). 
Auch tief in das Binnenland hinein reichen die Fäden der Ordens- 
politik. Solange die baltische Welt noch nicht den russischen Ehr- 
geiz lockt, steht der Orden oft im Bunde mit dem weißen Zaren 
als dem alten Feinde der Litauer; und doch sendet der Hoch- 
meister vorsichtig zugleich Gesandte an die Beherrscher von Kasan 
und Astrachan, findet an ihnen eine starke Rückenlehne wider die 
Moskowiter. — Den Polen und Litauern gegenüber weiß der 
Orden teilend zu herrschen; er schürt emsig den Bruderstreit, der 
das Großfürstenhaus von Litauen zerfleischt; seine Burgen sind 
die bereite Zufluchtsstätte aller Unzufriedenen der Nachbarländer. 
Und schon am Auggang des vierzehnten Jahrhunderts legt der 
verschlagene Piaste, Herzog Wladislaw von Oppeln, dem Orden 
einen europäischen Plan vor, der seitdem nie wieder aus der großen 
Politik verschwunden ist — den Plan der Teilung Polens. — Von 
so umfassenden Kombinationen jedoch kehrte die Staatskunst des 
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