den strengen Geist des Militärstaates. Nicht nur weisen unter—
irdische Gänge und der Rundgang um das Dach auf den Zweck
der Verteidigung; aus der wahrhaftigen Keuschheit des erst von
der Gegenwart wieder verstandenen Ziegelrohbaues redet ein spröder
Ernst, der den meisten gotischen Bauten fremd ist. Geradlinig
schließen sich die Fenster ab, der Reichtum der vegetativen Orna—
mente der Gotik fehlt; nur der leise Farbenwechsel des Ziegel—
musters mildert die Einförmigkeit der schmucklosen Mauerflächen.
Den gleichen Charakter massenhafter Gediegenheit tragen die Neben—
bauten bis herab zu den schweren Türmen, die in die Gräben
hinausragen — den unaussprechlichen Danzks. Wir mögen dieses
spröde Wesen nicht allein der Dürftigkeit des Backsteins zuschreiben;
zeigt sich doch an einem edlen Bruchsteinbau des Ordens, an der
Marburger Elisabethkirche, dieselbe Bescheidenheit des vegetativen
Schmucks. Dagegen mahnen ornamentale Inschriften und manche
Eigenheiten des Stils an des Ordens Verkehr mit Sizilien und
dem Morgenlande. Wie das Meisterschloß das Vorbild ward
für alle Ordensburgen und sogar dasselbe Ziegelmuster mit mili-
tärischer Regelmäßigkeit sich in vielen Burgen wiederholte, so wirkte
der strenge Charakter der Ordensbauten auch auf die Bauwerke
der Städte. Wer kennt sie nicht, die aufstrebende Kühnheit, den
würdigen Ernst der Giebelhäuser mit den weit vorspringenden
Beischlägen in der Danziger Langgasse? Wie eine Festung ragt
der Dom von Marienwerder über die Weichselebene und ist auch
als eine Feste wiederholt von reisigen Bürgern verteidigt worden.
Erscheint es blendend, einzig, dies kühne Emporsteigen der
Ordensmacht zu schwindelnder Höhe: wie sollten wir doch die
Einsicht abweisen, daß solche glänzende Frühreife die Gewähr der
Dauer nicht in sich trug? Selten läßt sich — nach dem ernsten,
unser Geschlecht beherrschenden welthistorischen Gesetze — in dem
Kerne menschlicher Größe selber die Notwendigkeit ihres Verfalls
so schneidend nachweisen, wie an diesem widerspruchsvollen Staate.
Nur weil der Orden aus den Reihen des deutschen Adels sich
fortwährend neu ergänzte, gebot er über eine Fülle großer Talente.
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