die große Bildungsstätte aller Westslawen. Um dieselbe Zeit hatte
ein gewandter schlauer Fürst voll ausgreifender Ehrsucht den pol—
nischen Thron bestiegen — Großfürst Jagjel von Litauen. In
dreien Tagen führte er wider den Orden zwei furchtbare Schläge,
da er getauft ward und die Erbin von Polen freite (1386). Als
der Großfürst im Schlosse zu Wilna das heilige Feuer des Heiden-
gottes löschen und die geweihten Schlangen töten ließ, da war
entschieden, daß alle „bösen Christen“ seines Volkes zu Christen
wurden. Wo die wollenen Röcke, die des Fürsten neue Priester
boten, nicht lockten, trieb man die Bauern zu Tausenden mit Ge-
walt in den Fluß zur Taufe. So zog der Schlaue der Erobe-
rungspolitik des Ordens den Boden unter den Füßen hinweg.
Wie mochte der Orden noch auf den Zuzug ritterlicher Kriegs-
gäste zählen, seit alle seine Nachbarn Christen, seine Kreuzzüge
weltliche Kriege geworden? Dann bestieg „Jagjel, anders Wla-
dislaw“ den polnischen Thron, erweiterte die Libertät des Adels
durch reiche Privilegien, schmeichelte dem Deutschenhaß der unbän-
digen Junker durch das Versprechen, daß er die entfremdeten
Lande, Pomerellen vornehmlich, der Krone zurückbringen werde.
Die unseligen Händel im litauischen Fürstenhause verstummten,
seit Wladislaw seinen Vetter Witowd zum Großfürsten von Litauen
erhob (1392).
So war der enge Bund Litauens und Polens, der oft ver-
suchte, endlich vollzogen; dem Orden der Heidenbekehrer stand jetzt
eine feindliche Macht gegenüber, deren herrschende Stände nicht
minder starr katholisch waren als er selber, und dies Doppelreich
erweiterte bald seine Grenzen bis tief nach Podolien hinein, bis
nahe an die Küsten des Schwarzen Meeres. Zu derselben Zeit
haderten die Hansestädte untereinander wegen der Vorrechte Lü-
becks; sie waren im Innern geschwächt durch den Zank der Junker
und der Zünftler und schauten träge zu, wie ihre alten Feinde,
die drei nordischen Kronen, zu Kalmar unter der starken Hand
der Dänenkönigin Margaretha sich einten (1397). Alsbald sollte
der Orden das erhöhte Selbstgefühl der Nachbarvölker empfinden.
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