Full text: Auswahl für das Feld.

Dichtung, der tapfere Redner und der weiche sinnige Bildhauer — 
jeder in seiner Weise ein Träger der besten deutschen Tugend, der 
Wahrhaftigkeit. Ein Dorfwebersohn, wuchs Fichte auf in dürf— 
tiger Umgebung, in der altfränkischen Sitte der Lausitzer Bauern. 
Frühzeitig und stark arbeitet er im Innern mit dem Verstande 
und mehr noch mit dem Gewissen. Der so begierig lernt, daß er 
eine Predigt nach dem Hören wiederholen kann, wie rüstig kämpft 
er doch gegen die Dinge, die so lebendig auf ihn eindringen! Das 
schöne Volksbuch vom hörnernen Siegfried wirft er in den Bach 
als einen Versucher, der ihm den Geist ablenkt von der Arbeit. 
Als ihm dann durch die Gunst eines Edelmannes eine gelehrte 
Erziehung auf der Fürstenschule zu Pforta zuteil wird, stemmt sich 
der eigenwillige Knabe wider jene Verkümmerung des Gemüts, 
welche der familienlosen Erziehung anhaftet, sein waches Gewissen 
empört sich gegen die erzwungene Unwahrhaftigkeit der Gedrückten. 
Er gesteht seinen herrischen Oberen den Entschluß der Flucht: er 
flieht wirklich; auf dem Wege, im Gebete und im Andenken an 
die Heimat kommt das Gefühl der Sünde über ihn; er kehrt zu- 
rück zu offenem Bekenntnis. So früh sind die Grundzüge seines 
Wesens gereift, wie zumeist bei jenen Menschen, deren Größe im 
Charakter liegt. Der Knabe schon bezeichnet seine Bücher mit 
dem Sinnspruch, den der Mann bewährte: Si fractus illabatur 
orbis, impavidum kerient ruinae. 
Schwerer, langsamer entscheidet sich die Richtung seiner Bildung. 
Kümmerlich schlägt er sich durch die freudlose Jugend eines armen 
Theologen, und sein Stolz — „die verwahrlosteste Seite meines 
Herzens“ — schämt sich bitterlich der Armut. Erst in seinem 
siebenundzwanzigsten Jahre wird ihm das Schicksal gütiger. Er 
sammelt auf der weiten Fußwanderung nach einer Hauslehrer= 
stelle in Zürich eine für jene Zeit ziemlich ausgedehnte Erfahrung 
von dem Elend des armen leidenden Volkes, er wird in der 
Schweiz mit der großen Arbeit der deutschen Literatur vertraut, 
er lernt in Zürich das schmucklose Wesen eines ehrenhaften Frei- 
staates verstehen, das seinem schlichten Stolze zusagt, und findet 
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