auf quälend beschäftigte, über der Frage von der Freiheit des
Willens? Sein logischer Kopf hatte sich endlich beruhigt bei der
folgerichtigen Lehre Spinozas, wie Goethes Künstlersinn von der
grandiosen Geschlossenheit dieses Systems gefesselt ward. Sein
Gewissen aber verweilt zwar gern bei dem Gedanken, daß das
einzelne selbstlos untergehe in dem Allgemeinen, doch immer wieder
verwirft es die Idee einer unbedingten Notwendigkeit, denn „ohne
Freiheit keine Sittlichkeit“. Welch ein Jubel daher, als er endlich
durch Kant die Autonomie des Willens bewiesen fand, als er
jenes große Wort las, das nur ein Deutscher schreiben konnte:
„Es ist überall nichts in der Welt, überhaupt auch außerhalb
derselben zu denken möglich, was ohne Einschränkung für gut
könnte gehalten werden, als allein ein guter Wille.“ Uber Kants
Werken verlebt er jetzt seine seligsten Tage; all sein vergangenes
Leben erscheint ihm ein gedankenloses Treiben in den Tag hinein,
der Weisheit Kants verdankt er „seinen Charakter bis auf das
Streben, einen haben zu wollen“. Der Verkündigung dieser Lehre
soll nun sein Leben geweiht sein; „ihre Folgen sind äußerst wich-
tig für ein Zeitalter, dessen Moral bis in seine Quellen verderbt
ist". Und zum sichersten Zeichen, daß er hier einen Schatz von
Gedanken gefunden, der seinem eigensten Wesen entsprach, ent-
faltete sich jetzt seine Bildung ebenso rasch und sicher, als sie schwer
und tastend begonnen hatte. Eine Reise nach Polen und Preußen
führt ihn zu dem Weisen von Königsberg, dem er ehrfürchtig
naht, „wie der reinen Vernunft selbst in einem Menschenkörper“.
Bei ihm führt er sich ein durch die rasch entworfene Schrift
„Kritik aller Offenbarung, 1791.“"
Damit beginnt sein philosophisches Wirken, das näher zu be-
trachten nicht dieses Orts noch meines Amtes ist, so reizvoll auch
die Aufgabe, zu verfolgen, wie die Denker, nach dem Worte des
alten Dichters, die Leuchte des Lebens gleich den Tänzern im
Fackelreigen von Hand zu Hand geben. Es genüge zu sagen, daß
Fichte die Lehre von der Selbständigkeit und Unabhängigkeit des
Willens mit verwegenster Kühnheit bis in ihre äußersten Folge-
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