mit einem Willen, den nichts, auch nicht der Tod, beugt und ab—
schreckt, saugt der Mensch etwas.“
Noch immer, leider, werden übergeistreiche Beurteiler nicht müde,
das Bild des Denkers in eine falsche Beleuchtung zu rücken. Man
nennt ihn einen Gesinnungsgenossen der Romantiker — ihn, dessen
spartanische Strenge so recht den Gegensatz bildet zu der vornehm
spielenden Ironie der Romantiker — ihn, der, obwohl nicht frei
von mystischen Stimmungen, dennoch, als ein herber Protestant, für
alle katholisierenden Richtungen nur Worte schärfster Verachtung
hatte. Auch Fichte genoß ein wenig von dem Segen jener schönen,
reizvollen Geselligkeit, welche die Gegenwart nicht mehr kennt; geist—
reiche Frauen saßen zu seinen Füßen und stritten sich um die Ehre,
ihm Famulusdienste zu leisten, wenn er über die höchsten Gegen—
stände der Erkenntnis sprach. Und doch ist nie ein Mann freier
gewesen von jeder romantischen Vergötterung der Frauen. Ab—
hängigkeit, Bedürftigkeit war ihm das Wesen des Weibes. Leiden—
schaftslos, voll warmer, treuer Zuneigung steht er ehrenfest neben
seinem Weibe, gleich einem jener derben Bürger auf alten deutschen
Holzschnitten; kein schöneres Lob weiß er ihr zu sagen als „männ-
lichere Seele, Johannal“ — Das Argste aber in der Umkehrung
der Wissenschaft hat Stahl geleistet; er nennt Napoleon das ver-
körperte weltschaffende Ich Fichtes. Also, in dem Helden der sou-
veränen Selbstsucht wäre Fleisch geworden das System des deutschen
Denkers, der unermüdlich eifert, es sei die Seligkeit des Ich, sich
der Gattung zu opfern?! — Auch das ist vielen ein Rätsel gewesen,
wie dieser schroffe, schneidige Charakter gerade aus dem obersäch-
sischen Stamme hervorgehen konnte. Er selber sagt von seiner
Heimat, sie berge „einen Grad von Aufklärung und vernünftiger
Religionskenntnis, wie ihn in dieser Ausdehnung gegenwärtig kein
Land in Europa besitzt“. Doch das alles sei „durch eine mehr als
spanische Inqutsition eingezwängt. Daraus entsteht denn eine knecht-
tische, lichtscheue, heuchlerische Denkungsart“. In der Tat, alle Vor-
aussetzungen echter Geistesfreiheit, eine Fülle von Bildungsmitteln,
eine weit verbreitete Volkskultur waren vorhanden in dem Mutter-
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