In der Heimat hatte die Unglückspost von Ligny große Bestür-
zung erregt; man sah schon ein neues Zeitalter unendlicher Kriege
emporsteigen. Um so stürmischer nun die Freude über die Sieges-
botschaft. Wie war doch plötzlich das Machtverhältnis zwischen
den beiden Nachbarvölkern verschoben! Schon jenseits der Grenze
empfingen die Deutschen den Feind; die Hälfte des preußischen
Heeres und ein Teil der norddeutschen Kontingente genügten, um,
vereint mit etwa 60000 Engländern und Niederländern, das fran-
zösische Heer aufs Haupt zu schlagen; unabweisbar drängte sich der
Gedanke auf, daß Preußen allein, selbst ohne Osterreich, bereits
stark genug war, die bösen Nachbarn zu bemeistern, wenn sich nur
alle deutschen Staaten ihm anschlossen. Gneisenau sagte befriedigt:
„Die Franzosen ahnen nicht bloß, sie wissen jetzt, daß wir ihnen
überlegen sind.“ Im Bewußtsein solcher Kraft verlangte die Na-
tion wie aus einem Munde rücksichtslose Ausbeutung des Sieges,
gänzliche Befreiung des deutschen Stromes. Im Namen aller rief
Arndt den Siegern zu:
Nun nach Frankreich, nun nach Frankreich!
Holt gestohlnes Gut zurückl
Unsre Festen, unfre Grenzen,
Unsern Teil an Siegeskränzen,
Ehr' und Frieden holt zurückl
In gleichem Sinne rief ein anderer Poet:
Reißt Vaubans Stachelgurt von Frankreichs Grenze,
Legt ihn der Euren anl!
Die Unvollkommenheit alles menschlichen Tuns zeigt sich aber
nirgends greller als im Kriege. Ein letzter Erfolg, der noch mög-
lich schien, entging den Preußen — nicht ohne die Schuld der
beiden gelehrtesten Männer der Armee, wie die Offiziere urteilten.
Das Heer Grouchys entzog sich der Vernichtung. Als der Mar-
schall am 18. Juni gegen Wavre herankam, hielt ihn Thielmann
14 H. v. Treitschke, Feldausgabe. 200