Full text: Auswahl für das Feld.

fahren einst von der Paviaschlacht der frommen Landsknechte ge— 
sungen hatten: der Kaiser und sein letztes Heer streckten die Waffen. 
Bis dahin hatten die Unseren in zerschmetternden Angriffen, wie 
es der stolzen preußischen Uberlieferung entsprach, ein wohlgeschultes 
Heer bekämpft, das zum guten Teile aus alten sieggewohnten 
Berufssoldaten bestand, aber der Kopfzahl des Gegners nachstand. 
Jetzt erwuchs ihnen plötzlich eine ganz andere, mühevollere, dem 
preußischen Wesen weniger zusagende Aufgabe. Es begann die in 
aller Geschichte beispiellose Belagerung einer mit fanatischem Mute 
verteidigten Millionenstadt. Derweil die Deutschen die beständigen 
Ausfälle des weit überlegenen Pariser Volksheeres zurückschlugen, 
drängten von allen Seiten her zum Entsatze der Hauptstadt neue 
Heere heran, unzählbare Massen, die Blüte der französischen Jugend, 
Trümmer der alten Armee und wüstes, zuchtloses Gesindel in 
krausem Gemenge. Gegen sie mußte der Belagerer selber große 
Ausfallskämpfe führen, durch kühne Vorstöße weithin bis zum 
Kanal und zur Loire. Wir Deutschen dürfen Gambetta wahrlich 
nicht, wie manche seiner Landsleute in der Hitze des Parteikampfes, 
den Namen des wütenden Narren geben. Für die Rettung des 
Vaterlandes das Unmögliche versuchen, bleibt immer groß. Und 
schlechthin unmöglich waren die Pläne des Diktators nicht, der mit 
seinem revolutionären Ungestüm immer neue Armeen aus dem Bo- 
den stampfte und die heiße Vaterlandsliebe seines Volkes bis zur Wut 
des Rassenkrieges erhitzte. Die reichen, in langer Kulturarbeit an- 
gesammelten wirtschaftlichen Kräfte des vom Kriege noch nicht be- 
rührten südlichen Frankreichs schienen unerschöpflich; aber die sitt- 
lichen Kräfte sind es nicht, bei den Völkern so wenig, wie bei dem 
einzelnen. Den Heeren Frankreichs fehlten von vornherein die 
Treue, das Vertrauen, der Rechtssinn, die allein dem Geschlagenen 
einen Rückhalt gewähren, und als nun aller flammende Mut, 
alle Wucht erdrückender Massen, alle Uberlegenheit der Feuer- 
waffen des Fußvolks in zwanzig Schlachten das Kriegsglück nim- 
mer wenden konnte, als die Deutschen hinter dem Schleier ihrer 
weit dahinfegenden Reitergeschwader immer wieder unverhofft her- 
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