Full text: Auswahl für das Feld.

die Züge der nachrückenden alten Landwehrmänner, mehr als eine 
Million unserer Krieger überschritt nach und nach die französische 
Grenze. Alle kamen, es mußte sein. Wenn die Todesnachrichten 
aus dem Westen einliefen, dann sagten die Väter und die Brü— 
der: viel Trauer, viel Ehre; und auch den Müttern, den Frauen, 
den Schwestern blieb im schweren Herzeleid doch der Trost, daß 
ihrem kleinen Hause ein Blatt gehöre in dem schwellenden Kranze 
deutschen Ruhmes. 
Ideen allein entzünden kein nachhaltiges Feuer im Herzen des 
Volkes, sie bedürfen der Männer. Und wohl war es ein Glück, 
daß die Nation einmütig aufblicken konnte zu dem greisen Herrscher, 
dessen ehrwürdiges Bild kommenden Geschlechtern immer größer 
erscheinen wird, je näher die historische Forschung herantritt. Seine 
Mojestät sieht alles — so wetterten die Feldwebel ihre säumigen 
Leute an, und sie sagten die Wahrheit. Als ihn das Schicksal 
im hohen Alter auf den nie gesuchten Thron gehoben, da empfand 
er bald, daß die Vorsehung ihn und sein Heer zum Werkzeug für 
ihre Fügungen bestimmt hatte. Wenn ich das nicht glaubte, sagte 
er ruhig, wie hätte ich sonst die Last dieses Krieges tragen können? 
Er hatte als Jüngling das Volk in Waffen bewundert, da es sich 
nach Scharnhorsts Plänen im Drange der Not halbgeordnet zu- 
sammenscharte, er hatte als Mann mit Scharnhorsts Erben, Boyen, 
beständig erwogen, wie diese unfertigen Gedanken sich lebenskräftig 
ausgestalten könnten, und endlich als König unter schweren par- 
lamentarischen Kämpfen die dreijährige Dienstzeit der verstärkten 
Linientruppen durchgesetzt, die uns ein zugleich volkstümliches und 
kriegerisch ausgebildetes Heer sicherte. Er kannte jedes kleine Räder- 
werk der riesigen Maschine, jetzt sah er zufrieden, wie sie arbeitete. 
Allein, ohne Kriegsrat, faßte er seine Entschlüsse nach Moltkes 
Vorträgen. Früher und sicherer als alle seine Umgebungen ahnte 
er, daß die Schlacht von Sedan den Krieg entschieden aber noch 
lange nicht beendigt hatte. Er kannte den glühenden Nationalstolz 
der Franzosen, er hatte vor allen anderen die reiche, in starkem 
Gedächtnis bewahrte Erfahrung des Greisenalters voraus; noch 
15 5. v. Treitschke, Feldausgabe. 225
	        
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