strenger Mannszucht physisch und moralisch ganz unentbehrlich in
einer Zeit wie der unseren, die alle Geister entfesselt. Carlyle sagte
voraus, der preußische Gedanke der allgemeinen Wehrpflicht werde
die Runde um die Welt machen. Seitdem 1866 und 1870 die
preußische Heeresorganisation ihre Probe so glänzend bestanden,
haben fast alle anderen Großstaaten des Kontinents sie nachzu-
ahmen versucht.
Da jedoch das preußische Heersystem das Volk in Waffen ist
und demgemäß die Eigentümlichkeiten und Feinheiten des Volks-
charakters darin zum Ausdruck kommen, so ist diese Nachahmung
nicht so leicht wie man im Auslande annahm. Als Grundlagen
erfordert die Durchführung dieses Systems vor allem eine gewisse
politische Freiheit des Volkes, Zufriedenheit mit der bestehenden
Regierung, und auch die soziale Freiheit in der Verwaltung. Ferner
ist ein natürlicher Respekt vor höherer Bildung nötig, ohne den
die Institution der Einjährig-Feiwilligen nicht gedacht werden kann.
Die aber soll gerade den höher gebildeten Ständen den Dienst
unter den Mannschaften moralisch und wirtschaftlich möglich machen.
In Frankreich steht diesem Freiwilligenwesen die Forderung einer
dußerlichen Egalité entgegen, hier hat es sich deshalb auch nicht
bewährt. In Deutschland wäre es aber kaum zu entbehren. Ganz
abgesehen davon, daß die Zahl unserer Berufsoffiziere für den
Kriegsfall nicht von ferne ausreicht, sind jene höher gebildeten
jungen Leute, die aus dem Einjährigfreiwilligen-Dienst als Reserve-
und Landwehroffiziere hervorgehen und die dem Volke durch man-
nigfache Beziehungen näher stehen als das Korps der Berufsoffiziere,
das natürliche Bindeglied zwischen diesen und den Mannschaften.
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