Full text: Auswahl für das Feld.

daß die Deutschen mitten in Not und Knechtschaft noch an sich 
selber, an die Unvergänglichkeit deutschen Wesens glauben durften. 
Aus der Durchbildung der freien Persönlichkeit ging unsere poli— 
tische Freiheit, ging die Unabhängigkeit des deutschen Staates hervor. 
In dem Gedichte, das stolz und spröde wie kein zweites die 
Verachtung der Idealisten gegen die schlechte Wirklichkeit aussprach, 
in Schillers Reich der Schatten standen die Worte: 
Nehmt die Gottheit auf in euren Willen, 
Und sie steigt von ihrem Weltenthron! 
Der Dichter ließ sie unverändert, obgleich Humboldt ihm treffend 
bemerkte, sie gäben den ästhetischen Grundgedanken des Gedichtes 
nicht rein wieder. Und er wußte was er tat. Denn die Bildung, 
welche er mit seinen Freunden verkündigte, war nicht beschaulicher 
Genuß, sondern freudiges Handeln, Hingabe des ganzen Menschen 
in den Dienst der Idee; sie schwächte nicht, sie stählte ihren Jüngern 
die Kraft des Willens, erfüllte sie mit jener Sicherheit der Seele, 
die „schlechterdings alles was Schicksal heißt als ganz gleichgültig“ 
ansah, wie Gentz von seinem Humboldt rühmte. Dieser aktive 
Humanismus war weder weichmütig, noch staatsfeindlich, er hatte 
nur das Wesen des Staates noch nicht verstanden und bedurfte 
nur der Schule der Erfahrung um alle Tugenden des Bürgers 
und des Helden aus sich heraus zu bilden. Wenn derselbe Hum- 
boldt, der jetzt die Flucht vor dem Staate predigte, späterhin in 
fester Treue seinem Staate diente, so widersprach er sich nicht selber, 
sondern schritt nur weiter auf dem eingeschlagenen Wege: er hatte 
gelernt, daß der Adel freier Menschenbildung in einem unterdrückten 
und entehrten Volke nicht bestehen kann. 
Unterdessen begann bereits in der Literatur selbst eine neue 
Strömung, welche die Deutschen zu einem tieferen Verständnis vom 
Staat und Vaterland führen sollte. Das erste Auftreten der jungen 
romantischen Schule erschien zunächst als ein sittlicher und künst- 
lerischer Verfall. Waren die beiden letzten literarischen Generationen 
an edlen, liebenswerten Menschen überreich gewesen, so nahm jetzt 
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