Full text: Auswahl für das Feld.

freudigen Glaubens getröstet, daß der Gehalt der Dichtung ein 
ewiger ist und seiner Stunde harren kann. 
Ein Dithmarscher Kind, in einer engen und harten Welt aufge— 
wachsen, bewahrte Hebbel immer einen Zug rauher reckenhafter 
Kraft, also daß starke nordische Naturen, wie der alte Dahlmann, 
ihm die Teilnahme des Landsmannes nie versagten, auch wenn 
sie seinen Wandlungen nicht folgen mochten. Er selber bezeichnete 
die altgermanische Welt und die Bibel gern als die Quellen seiner 
Dichtung. Doch auch andere, minder lautere Kräfte schlugen in 
sein Leben ein: die nervöse Sinnlichkeit des modernen Paris, die 
zersetzende, glaubenlose Reflexion der jungdeutschen Literatur. Ver— 
bittert durch die Entbehrungen einer freudlosen Jugend ward der 
stolze Mann launisch, anmaßend, gehässig; bis zur Grausamkeit 
selbstisch mißbrauchte er die Güte der Menschen, die sich ihm lie- 
bend hingaben. Erst nach langen Irrgängen, da er endlich wieder 
zurückgriff zu den Sagengestalten unserer Vorzeit, die ihm die 
Träume der Knabenjahre erfüllt hatten, gelang ihm ein Kunst— 
werk, das dauern wird. 
Die Künstlertugend, welche an Hebbel zuerst in die Augen fällt, 
ist der seltene, dem Dilettanten allezeit unverständliche. Sinn für 
die Totalität des Kunstwerks. Er verachtet das Haschen nach 
Einzelschönheiten, wie die kleinmeisterliche, an einzelne Auffällig- 
keiten sich festklammernde Kritik. Schon aus diesem einen Grunde 
sollte man endlich aufhören, ihn mit Grabbe zu vergleichen. Grabbe 
war das Kind einer sinkenden Epoche, welche die Ideale einer 
großen Vergangenheit in zuchtlosem Ubermute zerschlug; in diesem 
rohen Talente war keine Entwicklung. Hebbel erscheint als der 
Sohn einer aufstrebenden Zeit, welche neue Ideale zu gestalten 
suchte. Freilich es war ein Suchen, an dem der grübelnde Ver- 
stand oft mehr Anteil hatte als die schaffende Phantasie. Der 
Dichter erxperimentierte, er tastete umher nach einem Kunstwerk der 
Zukunft, in seinen ersten Werken erschien die Intention ungleich 
stärker als die lebendige Ausführung. Das traurige Wort, wo- 
mit Hebbel einst die Frage „Man weiß doch, was ein Lustspiel 
280
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.