Full text: Auswahl für das Feld.

Und wird ja einmal die Natur der Dinge mächtiger als Hebbels 
Verstimmung, entschließt er sich ein Zeitgedicht zu schreiben, so 
finden wir nicht, wie es bei dem Sohne der Marschen zu ent- 
schuldigen wäre, einen naturwüchsigen Ausbruch des Zornes über 
die Schmach seines Volkes, sondern ein griesgrämiges Epigramm 
über Staatsmänner, welche die Kunst verstehen niemals zu er- 
wachen, oder eine wegwerfende Bemerkung über moderne Staats- 
verfassungen — oder ein Gedicht an König Wilhelm, das im Grunde 
nicht gehauen und nicht gestochen ist, in schönen Versen nur die 
politische Ratlosigkeit des Dichters offenbart. 
Bei so trostloser Anschauung des Lebens weiß er nichts von 
jener edlen Volkstümlichkeit, welche der Ehrgeiz großer Dichter ist. 
Darum hat er, der Dramatiker, Schillers Größe lange gänzlich 
verkannt; darum verschmähte er die hohe Schule des Dramatikers, 
den Wechselverkehr mit der Bühne. Auch dieser Irrtum ist eng 
verflochten mit einer ehrenwerten Tugend, einer wohlberechtigten 
Verachtung gegen die bornierten Rücksichten der Konvenienz, welche 
gemeinhin das Bühnenschicksal eines Dramas bestimmen. Aber 
nicht die Theater-Zensur allein verbannt seine Werke von den 
Brettern, sie sind in ihrer Mehrzahl in Wahrheit nicht darstellbar. 
Sie behandeln nicht bloß extreme Fälle, sondern abnorme, krank- 
haft seltsame Konflikte, welche keinen Widerhall erwecken in den 
Herzen der Hörer; und wer es verschmäht, die Edelsten seiner Zeit 
im Innersten zu bewegen, der mag der stolzen Hoffnung entsagen, 
für das Theater aller Zeiten zu schreiben. 
Hart, ja grausam ward diese gewollte Vereinsamung an dem 
Lebenden bestraft. Uber den vielgelesenen Schriftsteller bildet sich 
die Welt zuletzt immer ein mildes ausgleichendes Urteil. Doch die 
Werke dieses Sonderlings fielen zumeist nur einzelnen Kritikern in 
die Hände, die ihn von den Wällen ihres ästhetischen Systems 
herab schonungslos bekämpften. Nun geschah ihm, was gemeinhin 
den Einsiedlern des Gedankens widerfährt: wie um Friedr. Rohmer 
und Schopenhauer — Männer, die ich übrigens weder unter sich 
noch mit Hebbel vergleichen will — so scharte sich um diesen viel- 
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