keit gewaltige, echt dramatische Konflikt, der schon in der Darstellung
des Josephus jedes Herz bewegt, läßt bei Hebbel vollkommen kalt.
So sehr ermangeln diese Menschen der Ursprünglichkeit und Frei—
heit, so sehr befremdet uns die moderne epigrammatische Sprache
an historischen Personen, deren grundverschiedene Gesittung wir von
Kindesbeinen an kennen.
Endlich, endlich nach so langem theoretischen Umhertasten öffnete
sich Hebbels Gemüt wieder natürlicheren, einfacheren Gefühlen, als
er die, „Agnes Bernauer“ schrieb und auf heimatlichem Boden
Menschen schuf, so wahr und tüchtig, wie sie ihm seit der Maria
Magdalena nicht mehr gelungen waren. Hier erscheint der mora-
lische Revolutionär als politisch konservativ: die Berechtigung des
Allgemeinen, des Staates, wird gezeigt gegenüber dem subjektiven
Belieben der Leidenschaft. Hebbel bleibt vollkommen frei von der
sentimentalen Auffassung der Liebe, deren heute der vornehme Pöbel
voll ist. Leider verrät die Heldin kaum durch ein hingeworfenes
Wort eine Ahnung von der Schwere ihrer Schuld, und wir emp-
finden ihren Tod als eine brutale Mißhandlung. Der wahrhaft
innerlich ringende Held des Stücks vielmehr ist Herzog Ernst; sollte
das Werk dramatisch wirken, so mußte der alte Herzog in den
Mittelpunkt der Handlung treten. Dann ließ sich ein besserer Schluß
finden als dieser unselige fünfte Akt, wo Hebbel, der sonst das
Gräßliche liebt, einen tödlichen Gegensatz durch eine übereilte Ver-
söhnung beendet. In einem Aufzuge die Ermordung der Agnes,
den wütenden Kampf des Sohnes gegen den Vater und die Bei-
legung des Streites darstellen — das verletzt jene Einheit der Zeit,
welche der Dramatiker auch nach Lessing noch achten soll, das
bleibt unglaublich, obschon der Poet durch die sprudelnde Heftigkeit,
welche er dem jungen Herzoge leiht, uns darauf vorbereitet hat.
Aber wie das Land nach langer Wasserreise begrüßen wir in
dem Stücke wieder eine warme natürliche Stimmung, wir freuen
uns der getreuen Genossen des jungen Herzogs und der kern-
haften Bürger. Lebendig tritt die gärende Zeit uns vor die
Seele, wo die Tage der Hohenstaufen bereits als ferner schöner
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