Letten wider die Deutschen. Nicht minder trotzig gebärden sich
die drei großen Städte; oftmals tobt blutiger Kampf um die Wälle
des Wittensteen, der Feste, die der Orden zur Bändigung Rigas
erbaute. Nachher erwacht das Selbstgefühl der ländlichen Vasallen;
Erzbischof und Orden, Stiftsadel und Ordensadel, Bürgertum und
Ritterschaft schwächen einander in sozialen Kämpfen.
Also hat unser Volk auf enger Stätte jene beiden Hauptrich—
tungen kolonialer Politik vorgebildet, welche später Briten und
Spanier in den ungeheuren Räumen Amerikas mit ähnlichem Er—
folge durchführten. Bei dem unseligen Zusammenprallen tödlich
verfeindeter Rassen ist die blutige Wildheit eines raschen Ver—
nichtungskrieges menschlicher, minder empörend als jene falsche
Milde der Trägheit, welche die Unterworfenen im Zustande der
Tierheit zurückhält, die Sieger entweder im Herzen verhärtet oder
sie hinabdrückt zu der Stumpfheit der Besiegten. Ein Verschmelzen
der Eindringlinge und der Urbewohner war in Preußen unmög—
lich, wo weder das Klima des Landes noch die Kultur der Be—
wohner dem Deutschen irgendeine Lockung bot, und die Unfähig—
keit des Volkes zu nationalem Staatsleben, sogar den Slawen
gegenüber, klar am Tage lag. Ein menschliches Geschenk daher,
daß nach der Unterjochung der Herr dem Diener seine Sprache
gab, ihm so den Weg eröffnete zu höherer Gesittung. Weit tiefer
als die Preußen standen das Lettenvolk und die finsteren finni—
schen Esten — zerstückt in Kleinstaaten, mit wenig entwickeltem
Gemeindeleben, in der eintönigen Ode ihrer Wiesen und Sümpfe
und Nadelwälder nicht mehr vertraut mit dem üppigen Wuchse
der Eiche und der freudigen königlichen Jagd auf den Hirsch, die
Preußens milderes Klima noch kennt. Diese wenig bildungsfähigen
Völker mit deutscher Sprache und Bildung zu befreunden, war bei
den anarchischen Zuständen des Landes, bei der geringen Zahl
der Deutschen unmöglich. Der Sieger hält die Unterworfenen dem
deutschen Wesen fern; ihm genügt es, wenn der Este den harten
Frondienst, den Gehorch leistet. Der undeutsche „Wirt“, dem der
deutsche Grundherr ein dienstpflichtiges Bauerngut, ein „Gesinde“,
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