Full text: Auswahl für das Feld.

schaft, durch den Ernst großer staatlicher Aufgaben konnte das 
verfallene Rittertum der Zeit wieder geadelt werden. Längst ver— 
flogen war in diesen Tagen kirchlichen Haders die religiöse 
Wärme des früheren Mittelalters; nicht die Begeisterung des 
Christen, nur phantastische Abenteuerlust führte jetzt noch Reisige 
in die Heere der Kreuziger. Auch jene naive, derbe Rauflust 
suchen wir vergeblich, die, nach dem hochgemuten Reiterspruche, 
„kühn und munter, fromm mitunter“ sich durch eine Welt von 
Feinden schlägt. Nein, einen künstlich verfeinerten, einen epigonen- 
haften Charakter trägt jenes vielgerühmte zweite Rittertum, das 
nach der wüsten Verwilderung der kaiserlosen Zeit im vierzehnten 
Jahrhundert sich wieder erhebt. Schon beginnt das Volk seine 
politischen Ideale sehnsüchtig in der Vergangenheit, in der Staufer- 
zeit zu suchen, und bescheiden gesteht der Dichter: „die weisen 
meister habent vor den wald der kunst durchhauwen“. Fällt es 
der Harmonie und Tiefe der modernen Empfindung ohnehin gar 
schwer, warmen Anteil zu nehmen an den jähen Sprüngen, ja, 
— sagen wir nur das allein zutreffende Wort — an der zer- 
fahrenen Liederlichkeit des Seelenlebens mittelalterlicher Menschen: 
so erschrecken wir geradezu vor der Herzenskälte und Armut 
dieses zweiten Rittertums. In bewußter Nachahmung vergangener 
Zeiten werden die Frauen wieder schwärmerisch verehrt von Rittern, 
deren schamlose Tracht und wüstes Leben häßlich absticht von den 
zierlich gesetzten Worten. An den Abenteuern der alten Helden- 
bücher erhitzen sich die Köpfe, während der kindliche Wunderglaube 
längst entschwunden ist. War der Adel einst begeistert in den 
Kampf gezogen für die erhabenen Pläne kaiserlicher Staatskunst, 
so irrt jetzt der deutsche Ritter planlos, würdelos umher, prahlerisch 
nach Abenteuern suchend von Ungarn bis zum spanischen Mauren- 
lande. Dem deutschen Adel am mindesten wollte dies phantastische 
Treiben zu Gesicht stehen. Freilich auch in der guten Zeit des 
echten Rittertums war unser Volk in die Schule gegangen bei 
den Welschen, doch bald hatte es seine Stauferkaiser, seinen Walther 
von der Vogelweide den größten Helden und Sängern der Ro- 
6. 
83
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.