seelande, wenn er teilnahm an den Mahlzeiten des Ordens, seine
vier Portionen zugeteilt, damit er spende an die Armen und
Büßenden. Nur in dringender Not mochte der Hochmeister auf
eigene Hand verfahren und durch einen Machtbrief unbedingten
Gehorsam befehlen. Immerhin ließ diese beschränkte Macht von
geschickter Hand sich wirksam nutzen, was der Orden selber in
seiner guten Zeit durch die Wahl fast ausnahmslos tüchtiger
Männer anerkannte. Wie der Hochmeister dem gesamten Orden,
so stand der Komtur in jeder größeren Ordensburg „mehr als
Diener denn als Herr“ den zwölf Brüdern gegenüber, die nach
dem Vorbilde der Apostel seinen Konvent ausmachten.
Die furchtbare Härte der genossenschaftlichen Zucht allein hielt
diese Aristokratie zusammen. Die „Regeln, Gesetze und Gewohn-
heiten“ des Ordens zeigen uns noch heute, wie hoch hier die Kunst,
Menschen zu beherrschen und zu benutzen, ausgebildet war. Ein
begebener Mensch war geworden, wer die drei Gelübde der Ar-
mut, der Keuschheit und des Gehorsams geschworen, „so die Grund-
feste sind eines jeglichen geistlichen Lebens“", und dafür von dem
Orden empfangen hatte ein Schwert, ein Stück Brot und ein
altes Kleid. Ihm war verboten, seines Hauses Wappen zu füh-
ren, zu herbergen bei den Weltlichen, zu verkehren in den üppigen
Städten, allein auszureiten, Briefe zu lesen und zu schreiben.
Viermal in der Nacht wurden die Brüder, wenn sie halb bekleidet
mit dem Schwerte zur Seite schliefen, von der Glocke zu den
„Gezeiten“ gerufen, viermal zu den Gebeten des Tagamts; an
jedem Freitag unterlagen sie der mönchischen Kasteiung, der Juste.
Wem der Orden ein Amt befiehlt, zu Riga oder zu Venedig,
übernimmt es unweigerlich und legt es nieder am nächsten Kreuz-
erhöhungstage vor dem Kapitel seiner Provinz; seine Rechnungen
bewahrt das Archiv. Ist einer in Schuld verfallen, so tagt das
geheime Kapitel, das mit einer Messe beginnt und mit Gebet
endigt, und verweist den Schuldigen an den Tisch der Kneechte
oder läßt die Juste an ihm vollziehen, denn „nach dem die Schuld
ist, soll man die Schläge messen“. Doch darf der Meister Milde
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