Mittel, jene schweigende militärische Unterwerfung zu erzwingen,
die in diesen Tagen ungebundener persönlicher Willkür allein durch
den schrecklichen Ernst religiöser Gelübde sich erhalten ließ. Wenn
mittags an der schweigenden Tafelrunde der Priesterbruder ein
Kapitel der Bibel vorlas, wählte man gern die kriegerischen Mären
von den „Rittern zu Josuas und Moses' Zeiten“. Immer wie-
der ward den jungen Brüdern das Makkabäerwort eingeschärft:
„Darum, liebe Söhne, eifert um das Gesetz und waget euer Leben
für den Bund unserer Väter.“ Es war ein endloser Vorposten-
dienst. Tag und Nacht standen die Briefschweiken im Stalle ge-
sattelt, um die Boten mit den Befehlen des Meisters oder mit
dem Sterbebriefe, der den Tod eines Bruders kündete, von Burg
zu Burg zu tragen — sein geregelter Botenlauf durch das gesamte
Mittel- und Südeuropa. Alltäglich konnte ein Visitierer des Or-
dens erscheinen, alle Schlüssel und Rechnungen der Burg abzu-
fordern, und sämtliche Brüder waren verpflichtet, ihm anzuzeigen,
ob das Gesetz verletzt worden, das jede Tagesstunde in jeder Burg
des weiten Reiches nach gleicher Regel leitete.
Bei so unbarmherziger Aufsicht mußten die Finanzen des Or-
dens glänzend gedeihen. „Zu Marienburg“, läßt der Dichter den
Pfennig sagen, „da bin ich Wirt und wohlbehaust.“ Bis zum
fünfzehnten Jahrhundert findet sich in den peinlich genauen Rech-
nungen, die das Königsberger Archiv noch heute bewahrt, keine
Spur eines Unterschleifs. Ja, ein ganz moderner Gedanke der
Finanzwissenschaft ist in dem Orden bereits verwirklicht: der Staats-
haushalt war scharf geschieden von dem Haushalte des Fürsten,
der seinen Kammerzins von bestimmten Gütern bezog. Uberhaupt
mußte Wohlstand und Bildung erstaunlich rasch emporschießen, wo
die Kapitalien und die eingeübte Arbeitskraft eines gesitteten und
dennoch jugendlichen Volkes, vereint mit den durchgearbeiteten Ge-
danken der päpstlichen, orientalischen und hansischen Staatskunst,
auf die üppigen Naturschätze eines unberührten Bodens befruchtend
einströmten. Wo der Adel selber, durch ein heiliges Gesetz gebän-
digt, herrschte, konnte der unselige Schaden des mittelalterlichen
91