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von der herrschenden Meinung getragen!) und nur von wenigen Publi-
zisten von Bedeutung ?) bekämpft.
Gehen wir davon aus, dass der Staat ein mit Persönlichkeit,
mit Rechtssubjektivität begabtes Wesen ist, weil er Träger eines ihm
eigenen Willens ist, so müssen wir folgern, dass er auch Persönlich-
keit bleibt, so lange er zur Produktion eines eigenen Willens befähigt
ist. Ist er. das im Interregnum, so ist er da auch Rechtssubjekt, mag
sein Wille da gleich wie sonst oder anders gebildet werden. Nun ist
wie der menschliche, so auch der Staatswille das Produkt einer Thätig-
keit verschiedener Kräfte. Diese staatswillenerzeugenden Kräfte sind
die vom Rechte als solche anerkannten Individualwillen: die Rechts-
ordnung legt bestimmten Einzelwillen die Fähigkeit bei, den Ge-
samtwillen zur Darstellung), d. h. sei es allein, sei es in gemein-
sam wirkender Verbindung zur Entstehung zu bringen. Nicht be-
trachtet blos die Rechtswissenschaft einzelne Individualwillen
als Staatswillen *), sondern sie erkennt, dass das Recht ihnen die
Macht beigelegt hat, einen wirklichen Staatswillen zu schaffen.
Je nachdem die Art der Staatswillensbildung in ihrer recht-
lichen Zuständigkeit in den einzelnen Staaten von der Rechtsordnung
normirt ist, erkennen wir die Verschiedenheiten ihrer Verfassungs-
form. Ihr Unterschied ist nicht darin begründet, welche Subjekte
im konkreten Staate thatsächlich den Willen des Staates erzeugen
oder ein eigenes Recht auf Mitwirkung bei der Schöpfung des Staats-
willens besitzen. Ebenso wie in der Demokratie nicht allein das
Volk, sondern neben ihm andere Subjekte staatswillenbildend sind,
so kann andererseits in der Einherrschaft das Volk neben dem Herr-
1) Nachweise bei Preuss, Archiv f. öffentl. Recht IV. S. 62ff.; Ge-
meinde, Staat, Reich als Gebietskörperschaften S. 137ff. Vgl. noch BLUNTSCHLI,
Allgemeine Staatslehre S. 22ff.; HaeneL, Studien zum deutschen Saatsrecht I.
S. 56ff.; GIERKE a. a. O.S. 294ff.; Rosın in Hirths Annalen (1883) S. 283 ff.; Lasann,
Staatsrecht des deutschen Reichs (2. Aufl.) I. S. 86f. und die dort Citt.; JELLINEK,
System der subjektiven Öffentlichen Rechte, S. 26ff. — In seinem Deutschen Staats-
recht I. S. 96ff. bat HaeneL seine frühere Auffassung nicht ganz festgehalten.
Er betrachtet da den Staat wesentlich als Rechtsverhältuniss, wenn schon im
Sinne einer nothwendiyen Abstraktion als Persönlichkeit.
2) S. insbes. FrickeErR, Zeitschr. f. d. ges. Staatswissensch. XXV, S. 24 ff. und
SeyYpEL in den oben S. 71, Note 2 genannten Stellen, sowie in dem ebenda
citirten Aufsatze in Hirths Annalen (1876) S. 647 ff.
3) Haeneı, Studien I. S. 59.
4) Nicht operirt sie mit einer Fiktion, was die Gegner der Persönlichkeits-
lehre überall behaupten. Sie verwechseln aber Fiktion mit Abstraktion. Vgl. die
Ausführungen JELLINEKS in seinem System der öffentl. Rechte S. 12ff., insbes. S. 16.