Full text: Deutsches Lesebuch. Zweiter Theil. Realienbuch. (2)

108 110. Die Polypen oder Korallen. 
zwei kleine Zähne; damit beißt sie die kleinen Blätter ab und 
verzehrt sie. In ihrem Körper verwandeln sich letztere in einen 
glänzenden Schleim; damit hält sie sich fest, wenn sie kriecht. 
Aus diesem Schleime baut sie sich ein größeres Häuslein, einen 
Ring nach dem andern, bis eine neuc Windung fertig ist. Niemand 
sicht's dem gelb= und braungefleckten, kalkigen Schneckenhause an, 
daß es größtentheils aus Pflanzenkost herstammt. 
Das Haus vertritt bei der Schnecke die Stelle der Knochen. 
Sie ist an dasselbe angewachsen und kann es nicht verlassen. 
Wenn es Winter werden will, zieht sie sich ganz in ihr Haus 
zurück, macht aus Schleim eine Thür davor und schläft, bis 
der Frühling sie weckt. Mitunter kommen aber auch wohl 
während des Winters Vögel und suchen die schlafende 
Schnecke auf. Sie zerschellen das Schneckenhaus an einem 
Stein und verzehren die Bewohnerin. Ist die Schnecke alt 
geworden, so schließt sie ihre Thüre wohl noch einmal, öffnet 
sie aber nicht wieder. Das Häuschen ist jetzt it Sarg, zu 
dem sie sich selber den Deckel bereitet. Es dient später kleinen 
Käfern zur Wohnung oder Kindern zum Spielzeug, bis es zer- 
bricht und wieder zur Erde wird. 
Die Weinbergsschnecke wird von manchen Menschen im Spätwinter, 
bevor sie den Deckel von ihrem Hause entfernt, gegessen. — Die große, 
schwarz oder röthlich gefärbte Wegschnecke hat hinter dem Kopfe ein ge- 
körneltes Rückenschild, durch welches ein Athemloch zu der Lunge führt. — 
Die kleine Ackerschnecke richtet oft durch ihre Gefräßigkeit an den jungen 
Saaten großen Schaden an. 
. Die Polypen oder Korallen. 
Diese Thiere bilden das Mittelglied zwischen dem Thier- und 
Pflanzenreiche. Sie kommen meist in Kolonien zusammenge- 
wachsen vor. Ihr Körper besteht aus Gallert, bildet einen Schlauch 
und hat strahlig gestellte Fühler oder Fangarme um die Mund- 
öffnung. Sie leben im Wasser, besonders im Meere, und sitzen zu 
Millionen entweder in geschlossenen Zellen oder auf der Schleim- 
haut der Korallenstämme, die durch kalkige Absonderungen der 
Polypen wie Wälder der Tiefe aus dem Meeresgrunde empor ge- 
wachsen sind. Auf den üstigen Korallenstämmen sitzen die Polypen 
oft wie Blütenglocken im schönsten Farbenschmucke. Die kleinsten 
Meerthierchen dienen den Polypen als Nahrung. Durch immer- 
währende Bewegung der empfindsamen Fangarme werden die 
Thierchen in die Mundöffnung des Polypen getrieben. 
Durch den Baufleils der Polypen sind viele Korallen-Riffe und 
Inseln entstanden. Sobald.ein solcher Korallenwald an die Oberfläche 
des Meeres steigt, sterben die Thierchen, und ein Theil der Korallen-
	        
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