Full text: Deutsches Lesebuch. Zweiter Theil. Realienbuch. (2)

10. Steine und Erden im Haushalte der Natur. 11 
Allmählich steigen im Süden schwarze Wetterwolken auf. Ein 
heftiger Sturm gebt dem nahenden Gewitter vorber. Unbarm- 
herzig knickt dieser den jungen Baum, an dem du vorüber- 
gebst. Aber die Zalme des Aehrenfeldes beugen höchstens dem 
Gewaltigen ihr Zaupt, um es im nächsten Augenblicke wieder 
muthig zu erbeben; brechen kann er sie nicht. Weißt du auch, 
was dem schwachen Halme die Kraft verleibt, dem ZSürnenden 
zu trotzen d Sieb dir doch einen Halm genauer an! Er ist 
hohl, und, wie es scheint, gerade deshalb weniger widerstands- 
fällig; aber ein Hauptbestandtheil desselben ist die Erde, welche 
von dem harten Kiesel, den du kennen gelernt hast, den Tamen 
führt, die Kieselerde. Die verleiht dem schwachen Halme 
eine wunderbare Kraft. Ueberdies bemerkst du in gewissen 
Abständen an demselben kräftige Kniee oder Knoten, auf die 
er sich stützt, und die mit dem schärfsten Messer zu durch— 
schneiden Mühe kostet. 
Die Kieselsäure ist es, welche schon dem zarten Halme 
mit zur Nahrung dient, und welche von der Wurzel dem 
Ralme fortwährend zugeführt werden muß, damit das Samen- 
korn, das uns nähren soll, zur RMeife gelangen kann. Willst 
du daher der künftigen Balmfrucht gedeihliche Nahrung schaffen, 
so mußt du das Feld wo möglich mit Strohdünger versehen, 
dem nicht leicht ein anderer gleichkommt. 
Du hast vielleicht in den schönen Tagen des Frühlings 
oder des Sommers aus der sandigen SEbene in die lieblichen 
Thäler der fränkischen Schweiz, der Altmühl oder der baprischen 
Doralpen einen Ausflug gemacht. Da sahst du ein Blünchen, 
das du nie in deiner Reimat gesehen, „wie Sterne leuchtend, wie 
Aeuglein schön.“" „Du grubst es mit allen den Wurzeln aus; 
zum Garten trugst du's am kleinen Kaus und pflanztest es 
wieder am stillen Ort.“ Täglich sahst du mehrmals nach deinem 
Liebling; aber trotz aller Oflege wollte er nicht gedeihen. 
Nach wenigen Tagen neigte er sein Kaupt und verdorrte. 
Du trauertest über das Fehlschlagen deiner Hoffnung. Aber 
warum war alle deine Sorgfalt um den kleinen Frembling 
umsonstd Er starb vor Kunger. Was du ihm botest, wollte 
er nicht, und was er brauchte, hatte er nicht. Die Erde, aus 
der du ihn gehoben hattest, war Kalkerde. Die mangelte
	        
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