Full text: Deutsches Lesebuch. Zweiter Theil. Realienbuch. (2)

201. Das macedonische Reich. 243 
201. Das maredonische Reich. 
Zu einer Zeit, als die Griechen sich unter einander selbst be- 
kriegten, regierte in dem nördlich von Griechenland gelegenen 
Macedonien der König Philipp, welcher in seiner Jugend in 
Griechenland erzogen worden war und dort die Schwächen 
der Griechen erkannt hatte. Nachdem er auf den Thron ge- 
langt war, vergrößerte er sein Reich durch die Eroberung der 
nördlich gelegenen Länder und suchte auch Griechenland zu 
unterjochen, dessen unaufhörliche Zwistigkeiten ihm hiebei sehr 
zu statten kamen. Vergebens machte der berühmte Redner 
Demosthenes die Griechen auf die drohende Gefahr aufmerksam. 
Erst, nachdem Philipp einige griechische Stämme besiegt und unter- 
worfen hatte, gingen ihnen die Augen auf. Allein nun war es 
zu spät. Sie griffen zu den Waffen, wurden aber von Philipp 
besiegt, der sich nun zum Oberfeldherrn der Griechen ernennen 
ließ. Philipp rüstete sich sodann zu einem Feldzuge gegen die 
Perser, wurde aber vor Ausführung desselben ermordet. Sein 
erst 20 jähriger Sohn Alexander folgte ihm 336 v. Chr. in der 
Regierung und wurde Gründer des macedonischen Weltreichs. 
Alexander, später der Große genannt, zeichnete sich schon 
als Knabe durch Kühnheit und Drang nach großen Thaten aus. 
Seinem Vater ward einst ein prächtiges, aber sehr wildes Streit- 
roß für den ungeheuren Preis von 13 Talenten (60 000 Mark) 
angeboten. Die besten Reiter versuchten ihre Kunst an dem- 
selben, jedoch keinen ließ es aufigen. Der König befahl, das 
Thier wieder wegzuführen, weil es doch kein Mench gebrauchen 
könne. Da bat Alexander, daß man ihn einen Versuch machen 
ließe. Mit stolzer Zuversicht näherte er sich dem Pferde, ergriff 
es beim Zügel und führte es gegen die Sonne; denn er hatte 
bemerkt, daß es vor seinem eigenen Schatten scheute. Dann 
streichelte und liebkoste er es und ließ heimlich seinen Mantel 
sfallen. Ein Sprung jetzt, und der Jüngling sitzt oben. Pfeil- 
schnell fliegt das Pferd mit ihm dahin! Philipp und alle Um- 
stehenden zittern für das Leben des Kühnen. Wie er aber 
frohlockend umlenkt und das Roß bald rechts, bald links, so 
ganz nach Willkür tummelt, als sei es das zahmste Thier von 
der Welt, da erstaunen alle. Philipp weinte vor Freuden und 
umarmte Alexander mit den Worten: „Mein Sohn, suche dir 
ein anderes Königreich, Macedonien ist zu klein für dich!“ 
Als man dem Alexander einst einen neuen Sieg seines 
Vaters meldete, rief er wehmüthig aus: „Mein Vater wird mir 
nichts mehr zu thun übrig lassen.“ Nachdem er auf den Thron 
gelangt war, ließ er sich, wie sein Vater, zum Oberfeldherrn 
der Griechen erwählen, unternahm dann einen Kriegszug nach 
Asien, eroberte Persien, Syrien, Palästina und Aegypten und 
drang sogar mit seinem Heere bis nach Indien vor. Mitten 
11“
	        
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