Full text: Deutsches Lesebuch. Zweiter Theil. Realienbuch. (2)

214. Karl der Große. 257 
der Heiligen auf, oder sie rodeten die Wälder aus und 
machten den Boden urbar; kurz, die Klöster wurden auf 
mancherlei Weise nützlich und waren ein wahrer Segen 
des Landes. Dem Könige Karl war sehr daran gelegen, 
das Aeulsere der Gottesdienste zu verschönern und den 
Kirchengesang zu verbessern. Er liels Sänger und Orgel- 
spieler aus Italien kommen; denn seine Franken batten 
eine gar rauhe Stimme, so dass ihr Gesang fast dem 
Gebrülle wilder Thiere glich. Auch liebte Karl seine 
Muttersprache; er arbeitete selbst mit den Gelehrten 
seines Hofes an einer deutschen Sprachlehre und liels 
auch eine Sammlung altdeutscher Heldenlieder veran- 
stalten. Auf uns ist leider von den Bestrebungen des 
grolsen Kaisers nichts gekommen als die deutschen 
Namen, die er den Winden (Himmelsgegenden) und den 
Monaten gab. 
3. Karl war ein echter deutscher Mann, von starkem 
Körperbau und schlanker Gestalt. Er hatte eine hohe, 
klare Stirne und überaus grolse, lebendige Augen, die 
dem Freunde und Hilfesuchenden freundlich, dem Feinde 
aber furchtbar leuchteten. In früher Jugend übte er nach 
Frankenart seine Körperkraft und wurde der beste Fechter 
und Schwimmer. Ein Hauptvergnügen für ihn war die 
Jagd, und wenn er seinem Hofe ein Fest bereiten wollte, 
wurde eine Treibjagd angestellt. Alles setzte sich zu 
Pferde, und nun ging es unter dem Klange der Hörner 
und dem Gebelle unzähliger Hunde in lärmendem Jubel 
hinaus in die Weite der Wülder, wo die Blüte der jungen 
Edelleute durch Muth und Geschicklichkeit einander zu 
übertreffen suchte. Karl, mitten unter ihnen, bestand 
manchen heilsen Kampf mit wilden Ebern, Bären und 
Auerochsen. Im Essen und Trinken war er sehr nüch- 
tern. Speiste er mit den Seinigen allein, so kamen nur 
vier Schüsseln auf den Tisch. Wildbret, am Spielse vom 
Jäger zur Tafel gebracht, war seine Lieblingsspeise. Sein 
Schlaf war nur kurz. Selbst des Nachts stand er mehr- 
mals von seinem Lager auf, nahm Schreibtafel und Griffel, 
um sich in der während seiner Jugend versäumten Schreib- 
kunst zu üben, oder er betete, oder er stellte sich ans 
Fenster und betrachtete mit Ehrfurcht und Bewunderung 
den gestirnten Himmel. Eine so einfache Lebensweise 
erhöhte die ohnehin so gewaltige Körperkraft dieses
	        
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