225. Der Graf von Habsburg. 273
Und sieh! in der Fürsten umgebenden Kreis
trat der Sänger im langen Talare;
ihm glänzte die Locke filberweiß,
gebleicht von der Fülle der Jahre.
„Süßer Wohllaut schläft in der Saiten Gold;
der Sänger ai t von der Minne Sold;
er preiset das Höchste, das Beste,
was das Herz sich wünscht, was der Sinn begehrt;
doch sage, was ist des NMaisers werth
an seinem berrlichsten Feste?“
„NMicht gebieten werd’ ich dem Sänger“, spricht
der Herrscher mit lächelndem Munde:;
„er stebt in des größeren Herren Öflicht;
er gehorcht der gebietenden Stunde.
Wie in den Lüften der Sturmwind saust,
man weiß nicht, von wannen er kommt und braust,
wie der Quell aus verborgenen Tiefen,
so des Sängers Lied aus dem Innern schallt
und wecket der dunkeln Gefühle Gewalt,
die im Herzen wunderbar schliefen.“
Und der Sänger rasch in die Saiten fällt
und beginnt sie mächtig zu schlagen:
„Aufs Waidwerk hinaus ritt ein edler Held,
den flüchtigen Gemsbock zu jagen;
ihm folgte der Knapp mit dem Jügergeschoß;
und als er auf seinem stattlichen Roß
in eine Au kommt geritten,
ein Glöcklein hört er erklingen fern;
ein Hriester war's mit dem Leib des Herrn;
voran kam der Meßner geschritten.
Und der Graf zur Erde sich neiget hin,
das Haupt mit Demuth entblößet,
zu verehren mit gläubigem Christensinn,
was alle Menschen erlöset.
Ein Bächlein aber rauschte durchs Feld,
von des Gießbachs reißenden Fluten geschwellt,
das hemmte der Wanderer Critte,
und beiseit legt jener das Sakrament;
von den füßen zieht er die Schuhe behend,
damit er das Bächlein durchschritte.
„Was schaffst dnd“" redet der Graf ihn an,
der ihn verwundert betrachtet.
„Herr, ich walle zu einem sterbenden Mann,
der nach der himmelskost schmachtet.
Und da ich mich nahe des Baches Steg,
da hat ihn der strömende Gießbach hinweg
im Strudel der Wellen gerissen;
drum, daß dem Techzenden werde sein Heil,
4 will ich das Wässerlein jetzt in Eil
urchwaten mit nackenden Füßen.“
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