Full text: Deutsches Lesebuch. Zweiter Theil. Realienbuch. (2)

Pflanzenreich. 24. Algen und Flechten. 25 
Pflanzenreich. 
24. Algen und Flechten. 
Eine treffende Antwort auf die Frage: Was ist eine 
Pflanze oder ein Gewächs? ist nicht so gar leicht, als mancher 
glaubt. Da antwortet vielleicht Einer: „Eine Pflanze ist eben 
etwas, was man in die Erde pflanzt und was nach und nach 
größer wird und Blätter, Blüten und Früchte treibt“, und 
denkt dabei an den Rosenstock, den er in einen Topf gepflanzt 
und vor sein Fenster gestellt hat. Das ist allerdings richtig; 
aber genug ist es nicht. 
Es gibt noch andere Pflanzen als die, welche in unseren 
Blumentöpfen, in den Gärten und auf den Feldern wachsen. 
Mitten in deinem Dorfe steht vielleicht ein Brunnen. Aus 
der Röhre desselben ergießt sich in einen Trog frisches, klares 
Wasser. In dem Grunde des Trogs aber erblickst du eine 
grüne, wie Schlamm aussehende Masse. Hebe mit einem Stocke 
einen Theil dieser Masse heraus! Sie wickelt sich um den 
Stock, und du nimmst an demselben zarte, grüne Fäden wahr. 
Das sind Pflanzen, welche schon lange vorher in allen Wassern 
gewachsen sind, ehe es einen trockenen Erdboden und Wälder, 
Aecker und Gärten auf Erden gegeben hat. Die Gelehrten 
nennen diese Pflanzen Algen. Du bemerkst an ihnen keine 
Wurzeln, keinen Stengel, keine Blätter, keine Blüten und 
Früchte, und doch sind es Pflanzen; denn sie entstehen, 
werden größer, erzeugen aus sich neue Pflanzen, 
und vergehen. 
Wie verschiedenartig diese Algen sind, kannst du daraus 
entnehmen, daß es im Meere Arten gibt, welche nur aus einem 
einzigen Bläschen — Zellen nennt man diese Bläschen — 
bestehen, und andere, die 100 bis 200 m lang werden. — 
Höre weiter! Dein Vater hat vielleicht einen Obstgarten. 
Im Frühjahre sägt er die Bäume aus, d. h. er entfernt alle 
dürren, unfruchtbaren Aeste und schabt von den Baumstämmen 
gelbe oder graue Krusten ab, von denen er behauptet, daß 
sie den Bäumen zum Nachtheil gereichen. Er nennt vielleicht 
diese Gewächse „Moos“". Das sind sie nicht. Es sind Flechten. 
Betrachte sie einmal genauer. Du wirst auf ihnen niedliche 
Körper wahrnehmen, welche wie Schüsselchen geformt sind. In 
diesen befindet sich ein feiner Staub, den der Wind verweht. 
Aber aus jedem Staubkörnchen entsteht da, wo es sich festsetzt, 
eine neue Flechte. Da hast du einen Samen, eine Frucht, wo 
vorher keine Blüte war. Ist das nicht höchst merk- 
würdig! Und doch gehen Tausende von Menschen an diesen 
unscheinbaren Flechten vorüber, ohne nur zu wissen, was sie sind. 
Lesebuch für ungetheilte Volksschulen. U. 2
	        
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